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Ärztliche Leitlinie für pflegende Angehörige
Pflegedienste erleben täglich Angehörige, die in der Pflege mit involviert sind. Sie können eine wichtige Rolle einnehmen, da sie meist

Pflegedienste erleben täglich Angehörige, die in der Pflege mit involviert sind. Sie können eine wichtige Rolle einnehmen, da sie meist sehr lange bei den Pflegempfängern sind und pflegerische Handlungen übernehmen – wie Waschen, Positionieren oder Nahrung verabreichen. Manche Angehörige erleichtern durch ihre unterstützende Rolle die Pflegenden des Pflegedienstes, bei anderen Angehörigen erlebt man eine Überforderung, die mitunter auch in aggressiven Verhalten bemerkbar ist.
Bekannt ist, dass pflegende Angehörige durch die Dauerbelastung 24 Stunden am Tag mitunter selbst erkranken, dies jedoch nicht wahrhaben wollen. Eine ärztliche Leitlinie befasst sich deshalb mit der Rolle der Angehörigen und deren Erkrankungen. Die Leitlinie wendet sich an niedergelassene Ärzte, die durch die Leitlinie die aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen für pflegende Angehörige wahrnehmen und umsetzen sollen. Für Pflegedienste ist die Leitlinie sinnvoll, denn es wurde auch eine Version für Angehörige selber entwickelt, die vom Pflegedienst als Hilfe weitergegeben werden kann.
Leitlinie in zwei Versionen
Die von der AWMF (Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medizinischer Fachgesellschaften: www.awmf.org) entwickelte Leitlinie ist von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Sie ist bis 2023 gültig und wird dann überarbeitet – so wie die meisten ärztlichen Leitlinien, die nach 5 bis 7 Jahren überarbeitet werden. Die Leitlinie folgt den strengen methodischen Vorgaben der AWMF und benutzt in den Aussagen deshalb für die Empfehlungsstärke der Aussagen die Buchstaben A, B und C.
- A: starke Empfehlung
- B: Empfehlung
- C: offene oder kann Empfehlung
Die Langversion enthält ausführliche Erklärungen und umfasst 102 DIN-A-4 Seiten (kostenlos zum Download). Die Kurzversion umfasst eine DIN-A-4 Seite in Querformat und bildet die Inhalte der Empfehlungen ab ohne differenzierte Aufgliederung und Erläuterung. Würde man nur die Kurzfassung lesen, kann dies entweder zu Missverständnissen führen oder aber zu Unklarheiten, weil eben die Erklärungen fehlen. Die Kurzfassung sollte deshalb eher als Gedankenstütze dienen, wenn man bereits die Langversion kennt.
Zielgruppe und Inhalte
Die Zielgruppe der Leitlinie sind „Pflegende Angehörige“. Darunter versteht man alle Personen, die einen pflegebedürftigen Menschen aus dem familiären oder erweiterten Umfeld unentgeltlich (ausgenommen Pflegegeld) und längerfristig körperlich pflegen und/ oder hauswirtschaftlich versorgen und/oder psychosozial betreuen.
Die Leitlinie soll Hausärzte unterstützen, die medizinischen Einschränkungen der pflegenden Angehörigen besser zu erkennen, zielgerichtet zu diagnostizieren und möglichst präventiv zu beraten, um chronische Erkrankungen oder die Verschleppung von Erkrankungen der Angehörigen zu vermeiden. Hierzu sollen die Hausärzte verschiedene Unterstützungsangebote kennen und vermitteln.
Zu fragen ist in diesem Zusammenhang übrigens: Warum haben Pflegedienste an dieser wichtigen Leitlinie nicht mitgewirkt und nehmen die Rolle der Beratung bei pflegenden Angehörigen wahr? Pflegedienste werden in der Leitlinie leider nicht fokussiert.
48 wertvolle Tipps – zweimal A
Die Leitlinie enthält 48 Empfehlungen, von denen lediglich zwei Empfehlungen die Stärke „A“ , also eine starke Empfehlung, haben.
Das sind zum einen, dass pflegende Angehörige bei Anamnesegesprächen mit dem Arzt die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Bedürfnisse zu äußern und Entscheidungen über abgeleitete Maßnahmen sollen gemeinsam getroffen werden.
Die zweite A-Empfehlung ist, dass pflegende Angehörige über Unterstützungs- und Entlastungsangebote informiert werden sollen.
Die ersten Empfehlungen der Leitlinie fordern, dass der Hausarzt und seine Arzthelfer durch patientenzentrierte Gesprächsführung pflegende Angehörige wahrnehmen und den Bedarf von weiteren Maßnahmen abschätzen und ggf. einen weiteren Termin vereinbaren. Zur Erfassung der Belastungen sollte die häusliche Pflege-Skala (HPS) benutzt werden. Wenn pflegende Angehörige Beschwerden des Bewegungsapparates, Magen-Darm-Traktes oder Herz-Kreislauf-System haben, sollte immer an problematische Pflegesituation gedacht werden.
Ängste und Depressionen
Zur Erfassung von Ängsten und Depressionen sollten Screening-Fragen eingesetzt werden. Einen weiterer Aspekt in den Empfehlungen stellt das herausfordernde Verhalten bei Menschen mit demenzieller Erkrankung dar. Dieses sollte der Hausarzt ansprechen. Ferner sollen Hilfsangebote wie Tagespflege, Angehörigen- und Selbsthilfegruppen regional angepasst vorgestellt werden. Letztlich sollen Gesprächsgruppen, Entspannungstechniken oder Telefonsprechstunden empfohlen werden.
Infos für pflegende Angehörige
Praktisch umsetzbar ist die Version „Patienteninformation Pflegende Angehörige“, die ebenfalls kostenlos auf der Website der AWMF verfügbar ist.
Diese zwei Seiten sind einfühlsam für Angehörige geschrieben und können als Hilfsangebot weitergegeben werden. Der einleitende Satz „Lassen Sie sich helfen, damit Sie helfen können!“ ist kennzeichnend für die Broschüre.
Erster Punkt: Der Hausarzt sollte wissen, dass jemand als pflegender Angehöriger tätig ist, die Hilfsangebote sowie die Probleme, die auftreten können, kennen. Beratungsleistungen der Pflege- und Krankenkasse werden genannt, ebenso wie Pflegekurse und Pflegedienste: „Lassen Sie sich von Ihrem Pflegedienst wichtige Dinge in der Pflege Ihres Angehörigen praktisch vor Ort zeigen“, heißt es.
Wichtig sind die Hinweise, dass pflegende Angehörige Entlastung zulassen sollten, auf Schlaf und Erholung achten müssen. Letztlich gibt es Hinweise, ab wann man unbedingt Hilfe annehmen sollte und welche Anzeichen es für kritische Situationen gibt, die pflegende Angehörigen ernst nehmen sollten.
Autor: Gerhard Schröder; Lehrer für Pflegeberufe; Akademie für Wundversorgung in Göttingen; www.akademie-fuer-wundversorgung.de
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