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AKI-Richtlinie – das sind die neuen Regelungen

Prof. Ronald Richter ordnet die neue Außerklinische Intensivpflege Richtlinie (AKI RL) juristisch ein und erläutert die Neuerungen.

Foto: Florian Arp Veröffentlichung nur nach Genehmigung und mit Fotohinweis Foto: Florian Arp Veröffentlichung nur nach Genehmigung und mit Fotohinweis

Inhalt

Von Prof. Ronald Richter

Am 19. November 2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die Außerklinische Intensivpflege Richtlinie (AKI RL) beschlossen und somit den gesetzlichen Auftrag aus § 37c SGB V umgesetzt. Sofern das Bundesministerium für Gesundheit keine rechtlichen Einwände hat, wird die neue Richtlinie im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt einen Tag später in Kraft. Die Richtlinie ist dann für alle Krankenkassen, Versicherten und die Leistungserbringer unmittelbar verbindlich (§ 1 Abs. 6 AKI RL) (Die neue Richtlinie steht hier zum Download bereit: Richtlinie).

Für die Praxis am wichtigsten: Was gilt wann?

Aufgrund der erst beginnenden Arbeit an den Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V und den sich anschließenden Vertragsverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und spezialisierten Leistungserbringern wird eine Verordnung der außerklinischen Intensivpflege auf der Basis des § 37c SGB V jedoch erst ab dem 1. Januar 2023 möglich sein (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AKI RL). Bis zu diesem Zeitpunkt gelten unverändert die bisherigen Verordnungsmöglichkeiten nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, werden also weiterhin in der Häuslichen Krankenpflege Richtlinie (HKP-RL) geregelt. Dort wurde mit zeitgleichem Beschluss eine Übergangsregelung eingefügt, wonach vor dem 1. Januar 2023 nach den Regelungen der HKP-RL ausgestellte Verordnungen über den 1. Januar 2023 hinaus weiter gelten. Sie verlieren erst ab dem 31. Oktober 2023 ihre Gültigkeit (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V idF ab 30.10.2023)!

Praxistipp – Inkrafttreten

Bis zum 31.12.2022 ändert sich nichts! Ärztliche Verordnungen, die vor diesem Datum ausgestellt werden, dürfen eine maximale Laufzeit bis zum 31.10.2023 haben.

Was hat sich gegenüber den Entwürfen geändert?

Wesentliche Änderungen der nun beschlossenen Erstfassung der Richtlinie in letzter Minute hat es nicht gegeben; was auch nicht zu erwarten war. Aber an vielen Stellen sind Detailänderungen aus den Stellungnahmen eingearbeitet worden, beispielsweise in den Regelungen zur Potenzialerhebung nach § 5 AKI RL. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich auch wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit ganz darauf beschränkt den gesetzlichen Wortlaut des § 37c SGB V zu konkretisieren.

Welche Rolle spielen die Wünsche der Betroffenen?

Diese Frage war in der Auseinandersetzung um das RISG und den Regierungsentwurf des IPReG besonders umstritten. § 1 Abs. 4 Satz 2 AKI RL wiederholt lediglich den Wortlaut des § 37c Abs. 2 SGB V: Berechtigten Wünschen der Versicherten ist zu entsprechen. Und macht keine weiteren Ausführungen!

Welche Patientengruppen werden unterschieden?

Der Gemeinsame Bundesausschuss sprach bei der Vorstellung des Beschlusses selbst von einer sehr heterogene Patientengruppe, die in der Richtlinie zu definieren war, mit einer vielfältigen Lebens- und Betreuungssituation. Zu regeln waren die Leistungsansprüche von beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten, die in ihrer Selbstständigkeit stark eingeschränkt sind; sowie nicht beatmeten oder tracheotomierten Patienten. Zu unterscheiden sind Kinder und Jugendliche mit an-geborenen oder fortschreitenden Erkrankungen, die mit Unterstützung ihrer Ange-hörigen ein selbstbestimmtes Leben führen wollen. Schließlich Erwachsene, die beispielsweise nach einem Unfall oder Schlaganfall voraussichtlich nur kurzzeitig Leistungen der außerklinischen Intensivpflege brauchen und Menschen, die aufgrund ihrer Grunderkrankung regelmäßig in lebensbedrohliche Krisen kommen können.

Welche Ziele hat die außerklinischen Intensivpflege?

§ 2 Abs. 2 AKI RL regelt die Therapieziele der außerklinischen Intensivpflege abschließend. Es sind

  1. die Sicherstellung von Vitalfunktionen,
  2. die Vermeidung von lebensbedrohlichen Komplikationen sowie
  3. die Verbesserung von Funktionsbeeinträchtigungen, die außerklinische Intensivpflege erforderlich machen und der sich daraus ergebenden Symptome zum Erhalt und zur Förderung des Gesundheitszustandes.

Der Gemeinsame Bundesausschuss konkretisiert mit dieser Regelung auch den Gesetzeswortlaut aus § 37c Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V. Anspruch auf außerklinischen Intensivpflege haben Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, die vorliegt, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Damit wird also der gesetzliche Anspruch nicht eingeschränkt, sondern näher beschrieben.

Praxistipp – Leistungsanspruch

Da auch der Gesetzeswortlaut keine Öffnungsklausel („insbesondere“) enthält, gab es für den GBA keine Veranlassung eine Öffnung vorzunehmen! Liegen bei der Versorgung von Versicherten pflegerisch-rehabilitative Leistungen im Vordergrund und nicht die Behandlungspflege (beispielsweise bei stabilen Patienten der Phase F), erhalten diese keine Leistungen der außerklinischen Intensivpflege im engeren Sinn des § 37c SGB V. Für derartige Patienten sind weiterhin alternative Leistungs- und Finanzierungswege notwendig.

Wie kommen die Versicherten an die Leistungen?

Die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege ist nach § 4 Abs. 1 AKI RL bei Versicherten zulässig, bei denen wegen Art, Schwere und Dauer der Erkrankung die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft notwendig ist, weil eine sofortige ärztliche oder pflegerische Intervention bei lebensbedrohlichen Situationen mit hoher Wahrscheinlichkeit täglich unvorhersehbar erforderlich ist, wobei die genauen Zeitpunkte und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden können. Damit übernimmt der GBA die bisherige Beschreibung der speziellen Krankenbeobachtung (Ziff. 24 der Anlage der HKP RL) steht jedoch auf die Rechtsprechung des BSG zur allgemeinen Krankenbeobachtung nicht ein.

Die außerklinische Intensivpflege setzt eine ärztliche Verordnung auf einem neuen Vordruck („Verordnung außerklinischer Intensivpflege“) voraus; § 6 Abs. 1 AKI RL. Erst-Verordnungen sollen einen Zeitraum von bis zu fünf Wochen nicht überschreiten, Folgeverordnungen können für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten, bei beatmeten oder trachealkanülierten Versicherten bis zu zwölf Monaten betragen (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AKI RL).

Trotz der Einwände aus der Praxis im Anhörungsverfahren, wird in § 6 Abs. 1 AKI RL der umfangreiche Katalog der benötigten Angaben zur Verordnung geregelt und sogar mit einer Öffnungsklausel für weitere Angaben versehen. Bestandteil der Verordnung ist nach § 6 Abs. 5 AKI RL ein Behandlungsplan, indem die individuellen Therapieziele und -maßnahmen konkretisiert werden müssen. Bei Beatmungspatientinnen oder -patienten soll gemäß gesetzlichen Vorgaben regelmäßig erhoben werden, ob eine vollständige Entwöhnung oder nur noch unterstützende Beatmung möglich sind. Bei Patientinnen und Patienten, bei denen langfristig keine Aussicht mehr besteht, auf die Beatmung oder die Trachealkanüle zu verzichten, steht die Therapieoptimierung und damit die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund (§ 2 Abs. 5 AKI RL).

Praxistipp – Dokumentation

In den nun zu verhandelnden Rahmenempfehlungen nach § 132l SGB V werden die Verbände der Leistungserbringer verhindern müssen, dass alle diese Angaben Gegenstand der Pflegedokumentation werden.

§ 9 AKI RL definiert die fachlichen Anforderungen an die ärztliche Qualifikation der verordnenden Ärztin oder den verordnenden Arzt. So soll sichergestellt werden, dass die Versorgungsbedarfe der Patientin oder des Patienten richtig und vollständig erfasst werden. Bei den Qualifikationsanforderungen unterscheidet die AKI RL danach, ob es um Patientinnen und Patienten geht, die beatmet werden und/oder eine Trachealkanüle tragen, oder ob es um Patientengruppen geht, die dies zwar nicht benötigen, aber dennoch auf die Hilfe einer Pflegefachkraft angewiesen sind, die bei lebensbedrohlichen medizinischen Krisen sofort eingreifen kann. Hintergrund ist, dass bei beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten in der Regel andere Therapieziele und -maßnahmen eine Rolle spielen.

Buchtipp

Prof. Richters Buch „Intensivpflege und das GKV-IPReG – Impulse für ambulante und stationäre Leistungserbringer“ erscheint im März 2022 bei Vincentz Network.

Aufmacherbild: Florian Arp