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Arbeitsrecht: Faires Verhandeln beim Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist, erklärt Arbeitsrechtler Peter Sausen im Beitrag.

Ein Aufhebungsvertrag ist unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist, erklärt Arbeitsrechtler Peter Sausen im Beitrag.

Aufhebungsverträge zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen sind eine Alternative zu ansonsten unumgänglichen Kündigungen. Als Verträge fußen sie auf einem grundsätzlich freiwilligen Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Beendigung. Fehlt es bei einer Partei aufgrund einer Drucksituation an der Freiwilligkeit, kann dies zu einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führen. Bestehen im Arbeitsverhältnis Konfliktsituationen, sieht sich der Arbeitgeber u. U. gezwungen, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Als Alternative zur Kündigung besteht die Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Dabei handelt es sich um eine (zwingend) schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis im beiderseitigen Einvernehmen zu einem bestimmten Datum beendet wird. Einvernehmlich bedeutet dabei „freiwillig“. Wie die Praxis lehrt, ist aber freiwillig nicht immer wirklich freiwillig. Bereits 2019 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag unwirksam ist, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

In einer aktuellen Entscheidung vom 24.02.2022 (Az.: 6 AZR 333/21) hatte sich das BAG erneut mit dem Gebot des fairen Verhandelns von Aufhebungsverträgen zu befassen. Bei dem genannten Gebot handelt es sich um die Pflicht der Vertragsparteien, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht liegt vor, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Nicht erforderlich ist es, eine angenehme Verhandlungssituation zu schaffen. Gefordert wird hingegen, ein Mindestmaß an Fairness zu wahren. Eine unfaire Verhandlungssituation liegt vor, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn besonders unangenehme Rahmenbedingungen geschaffen werden, die erheblich ablenken oder objektiv erkennbare körperliche oder psychische Schwäche oder mangelnde Sprachkenntnisse ausgenutzt werden. Ob ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vorliegt, hängt vom Einzelfall und der konkreten Situation ab. Oft bereuen Arbeitnehmer nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages ihre Entscheidung und versuchen, über das Gebot fairen Verhandelns die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geltend zu machen. Die bloße Reue über die eigene Entscheidung ist jedoch nicht ausreichend.

Mitarbeiterin fechtet Aufhebungsvertrag an

Ein Arbeitgeber führte mit der Arbeitnehmerin unter Anwesenheit des Unternehmensanwaltes ein Personalgespräch. Gesprächshintergrund waren gegenüber der Mitarbeiterin erhobene Vorwürfe, diese habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Arbeitgeberin abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die Anwesenden schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Mitarbeiterin schließlich einen von der Arbeitgeberin vorbereiteten Aufhebungsvertrag. In der Folge bereute die Mitarbeiterin dies und erklärte die Anfechtung des Aufhebungsvertrags wegen widerrechtlicher Drohung. Die Arbeitnehmerin behauptete, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Auch ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden. Damit liege nach ihrer Ansicht ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vor.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte sie auf die Berufung der Arbeitgeberin abgewiesen. Die Revision der unterlegenen Mitarbeiterin hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Erfurter Richter bestätigten die Entscheidung des LAG und beriefen sich auf die Grundsätze zum Gebot fairen Verhandelns. Selbst wenn der von der Arbeitnehmerin geschilderte Gesprächsverlauf als so geschehen unterstellt wird, fehlte es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Die Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiterin wurde auch nicht dadurch verletzt, dass die Arbeitgeberin den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Arbeitnehmerin daher sofort entscheiden musste. Allein der Umstand, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages von der sofortigen Annahme abhängig gemacht wird, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung dar. Auch wenn dies dazu führt, dass weder eine Bedenkzeit verbleibt, noch die Möglichkeit besteht, einen Rechtsrat einzuholen.

Nicht jede Drucksituation führt zu einer Anfechtungsmöglichkeit

Auch wenn durch die Rechtsprechung der Grundsatz des Gebots des fairen Verhandelns inzwischen etwas konkretisiert wurde, kommt es bei der Frage, ob ein Aufhebungsvertrag wegen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns unwirksam ist, auf die jeweiligen Gesamtumstände des Einzelfalls an. Maßgeblich sind die konkreten Umstände der Verhandlungssituation, wie z.B. insbesondere Ort, Zeit, Dauer, Inhalt der Gespräche. Nicht jede Drucksituation führt zu einer Anfechtungsmöglichkeit.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist auf alle Arbeitsbereiche anwendbar. Sieht sich ein Arbeitgeber gezwungen, ein Arbeitsverhältnis zu beenden, ist immer an die Möglichkeit einer Aufhebungsvertrags zu denken. Über einen Aufhebungsvertrag lässt sich eine verlässliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreichen, ohne nach Ausspruch einer Kündigung regelmäßig noch einen Kündigungsschutzprozess führen zu müssen. Da die Hürden für den Mitarbeiter, im Nachhinein eine Anfechtung des abgeschlossenen Aufhebungsvertrags zu erklären, sehr hoch sind, kann der Arbeitgeber nach Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags grundsätzlich von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehen. Dies auch, da in einem Prozess über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Aufhebungsvertrags der klagende Arbeitnehmer die volle Beweislast dafür trägt, dass ein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns vorliegt.

Nichtsdestotrotz ist es auf Seiten der Arbeitgeber zwingend erforderlich, jegliche ungeschickten oder plumpen Vorgehensweisen bei der Führung der Verhandlungen zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zu unterlassen. Anzuraten ist überdies, dass die Verhandlungen zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags, wann immer es möglich ist, im Betrieb und während der üblichen Dienstzeiten geführt werden. Zu vermeiden sind Zeitpunkte, an welchen der Arbeitnehmer erkennbar erschöpft ist, wie zum Beispiel unmittelbar nach einem Nachtdienst. Sollte eine Verhandlung im Betrieb aufgrund länger dauernder Abwesenheit des Arbeitnehmers nicht möglich sein, empfiehlt es sich, schriftlich vorzugehen. Auch ist bei Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder Krankheit proaktiv eine faire Verhandlungssituation zu schaffen, wie etwa durch das Einräumen einer Bedenkzeit oder Hinzuziehung eines Dolmetschers.


Autor: Peter Sausen ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber der Kanzlei STEINRUECKE.SAUSEN

Bild: Adobe Stock/Stockfotos-MG