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Chronische Wunden – die Lebensqualität im Blick

Chronische Wunden verändern das Leben des Betroffenen gewaltig und vor allem langfristig. Deshalb steht nicht die lokale Versorgung der chronischen Wunde im Fokus des Expertenstandards „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“, sondern die Erhaltung und Förderung der Lebensqualität.

Von Gerhard Schröder

Chronische Wunden verändern das Leben des Betroffenen gewaltig und vor allem langfristig. Deshalb steht nicht die lokale Versorgung der chronischen Wunde im Fokus des Expertenstandards „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“, sondern die Erhaltung und Förderung der Lebensqualität. Lebensqualität – was ist das? Lebensqualität ist ein subjektiv geprägter Begriff, der von Mensch zu Mensch variiert. Menschen mit chronischen Wunden sind durch zahlreiche wund- und therapiebedingte Einschränkungen in ihrem Alltag eingeschränkt. Hierzu zählen: Schmerzen, Einschränkung der Mobilität, Juckreiz, Geruch- und Exsudatbelästigung, Schlafprobleme, Macht- /Kontrollverlust, verändertes Körperbild, Beeinträchtigung im sozialen Leben, berufliche/finanzielle Belastungen, Behandlungsprobleme, Angst, Depression.

Dokumentation

Da die Lebensqualität subjektiv ist, kann nur der Betroffene selbst sie angeben. Die Standardfrage zur Erhebung der Lebensqualität könnte z.B. lauten: „Was belastet Sie zur Zeit durch die chronische Wunde am meisten?“ Ebenfalls wichtig, um den Betroffenen angemessen unterstützen zu können, ist, nach seinem Krankheitsverständnis zu fragen. Stellen Sie eine Frage wie: „Was glauben Sie, warum Ihre Wunde nicht heilt?“ und „Was machen Sie, wenn Sie Beschwerden haben?“

Zur Wunddokumentation werden folgende Parameter regelmäßig bei Veränderungen oder spätestens alle sieben bis zehn Tage erhoben:

Wunddiagnose oder -art: Die Pflegefachkraft muss die Wunddiagnose beim Arzt erfragen.

Dauer der Wunde/Anzahl der Rezidive: Die Wunddauer soll in Monaten oder Jahren angegeben werden und ist auch für das weitere Vorgehen wichtig. Je älter die Wunde ist, desto schwieriger wird die Wundheilung.

Lokalisation der Wunde: Die Lokalisation wird auf einem Körperschema eingezeichnet und sollte auch benannt werden: z. B. linker Unterschenkel, Ferse oder Kreuzbein.

Wundgröße und Klassifizierung: Die Wunde wird immer zu Beginn vermessen, d.h mit einem Einmalmaßband (!) werden Länge und Breite gemessen. Dabei entspricht die Körperlänge der Wundlänge, egal ob der/die Patient:in liegt oder steht. Die Wundvermessung wird im weiteren Verlauf ca. alle zwei bis vier Wochen neu bestimmt. Für die Heilung ist jedoch die Tiefe der Wunde wichtiger. Diese ermittelt man entweder, indem man die Tiefe mit einem Einmalmaterial bestimmt in Zentimeter, oder die Wunde „auslitert“. Dazu gibt man eine sterile Flüssigkeit in die Wundhöhle, bis diese voll ist und notiert die applizierte Menge in Milliliter. Für jede chronische Wundart gibt es eine eigene Klassifizierung. Das ist eine Zuordnung der Wunde nach Graden, Kategorien oder Stadien. Diabetische Fußsyndrome werden nach der Klassifizierung „Wagner/Armstrong“, Dekubitalgeschwüre nach „EPUAP“, Ulcus Cruris venosum nach „Widmer“ zugeordnet. Diese Klassifizierungen sollten als Behelfsblatt zur Verfügung stehen.

Exsudat und Wundgeruch: Das Exsudat ist die Flüssigkeit, die die Wunde produziert. Das Exsudat wird beurteilt, wenn der alte Verband entfernt ist. Die Menge des Exsudates ist im Verhältnis zur Liegezeit des Verbandes zu sehen und wird mit den Mengenangaben „kein“, „wenig“ oder „viel“ angegeben. Dazu sollte die Farbe benannt werden: blutig, gelblich, grünlich usw. Ferner gibt man an, ob das Exsudat durchsichtig ist (serös) oder trüb und ob es unangenehmen Geruch hat oder nicht.

Wundbeläge und Wundgrund: Um die Wunde zu beurteilen, müssen Exsudat und Zelltrümmer durch die „aktive Wundreinigung“ gereinigt werden. Dazu muss sich die Pflegefachkraft Handschuhe anziehen, ausreichend (je nach Wundgröße 100 bis 150 ml) sterile physiologische Wundspülflüssigkeit verwenden und zum Abwischen der Wundoberfläche eine sterile Mullkompresse. Wundgrund: a) Granulationsgewebe: Das rot aussehende Granulationsgewebe stellt das neu gebildete Gewebe dar. Gutes Granulationsgewebe ist dunkelrot und fest, hat keine Beläge und wenig Exsudat. Schlechtes Granulationsgewebe ist blassrosa und weich, zerklüftet, hat zahlreiche Beläge und exsudiert viel. b) Eptihelgewebe: Frisches Epithelgewebe bildet sich häufig vom Wundrand als dünner, rosafarbener Saum, der ins Weiße übergeht. Es können aber auch in der Wunde einzelne Epithelinseln entstehen. c) Beläge: Beläge können nicht weggewischt werden. Gelbe Beläge können Fibrin oder feuchte Nekrosen sein. Fibrin legt sich auf den Wundgrund, ist wasserfest und nicht wegwischbar. Fibrin sieht trocken wie eine „Kruste“ aus. Dagegen ist weicher, feucht aussehender Belag kein Fibrin, sondern eine feuchte Nekrose. Diese feuchte Nekrose sitzt auch nicht wie der Schorf auf dem Wundgrund, sondern ist Teil des ehemals gesunden Gewebes, d.h. es geht von der feuchten Nekrose in das gesunde Gewebe über. Feuchte Nekrosen können darüber hinaus riechen und Fäden ziehen. Sie sind beim Dekubitus häufiger als Fibrin. Die trockene Nekrose dagegen ist schwarz, trocken in der Konsistenz. Wie die feuchte Nekrose kann sich auch die trockene Nekrose aus dem Gewebe entwickeln, durch Minderdurchblutung.

Wundrand und Wundumgebung: Der Wundrand grenzt an die Wunde und umfasst ca. ein bis zwei Millimeter. Danach kommt für ca. drei bis fünf Zentimeter die Wundumgebung. Dort liegen die Wundauflagen auf.

In seinen vorherigen Artikeln hat Autor Gerhard Schröder einen Überblick über die Arten und die praktische Arbeit mit Stomata gegeben sowie die Pflege von suprapubischen Kathetern erläutert. Dieser Artikel ist zuerst in der Praxisbeilage der Zeitschrift Häusliche Pflege erschienen. Gerhard Schröder ist zudem Referent im Wundplenum beim Kongress für außerklinische Intensivpflege am 27. und 28. September in Essen.

Aufmacherfoto: Adobe Stock/ok-foto