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Datenschutzrecht: wenn Kassen Pflegedienst-Daten weitergeben

Die Weitergabe von Vergütungssätzen und -parametern eines Pflegedienstes durch Krankenkassen verstößt gegen das Datenschutzrecht. Immer häufiger ist in den Verhandlungen

Die Weitergabe von Vergütungssätzen und -parametern eines Pflegedienstes durch Krankenkassen verstößt gegen das Datenschutzrecht.

Immer häufiger ist in den Verhandlungen mit den Krankenkassen zu beobachten, dass sich die Krankenkassen untereinander über laufende Vergütungsverhandlungen eines Pflegedienstes austauschen. Dies wird beispielsweise dadurch deutlich, dass eine Krankenkasse plötzlich und unvermittelt centgenau weiß, welcher Vergütungssatz mit einer anderen Krankenkasse vereinbart wurde. Dadurch wird es unmöglich mit den einzelnen Krankenkassen noch zu verhandeln, da nicht mehr auf die konkrete Kalkulation eingegangen wird.

Doch inwiefern ist ein solcher Austausch von diesen Daten eines Pflegedienstes überhaupt zulässig? Dürfen sich die Krankenkassen schon jetzt über laufende Vergütungsverhandlungen austauschen und was können Pflegedienste hiergegen unternehmen?

Argumentation der Krankenkassen

Was in der Privatwirtschaft als illegale Preisabsprachen durch das Kartellrecht bekämpft und mit empfindlichen Geldbußen geahndet wird, wird im öffentlichen Gesundheitssektor offenbar weniger eng gesehen: Krankenkassen tauschen sich untereinander über die vereinbarten Vergütungssätze mit Leistungserbringern aus. Die Krankenkassen berufen sich zum einen auf die vermeintlich zukünftig anstehenden einheitlichen Verhandlungen gem. § 132l SGB V und zum anderen auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. Januar 2017 − KZR 63/14), das zu folgendem wettbewerbsrechtlichen Sachverhalt erging: Im Rahmen der Verhandlungen zwischen einem Pflegedienst mit einer Krankenkasse über die Höhe der Vergütung führte die Krankenkasse eine Korrespondenz mit ihrer Hauptverwaltung, in der die Ergebnisse einer Befragung anderer gesetzlicher Krankenkassen über die Höhe der Stundensätze offengelegt wurden, die der Pflegedienst mit diesen vereinbart hatte. Der BGH sah in diesem Verhalten keinen Verstoß gegen das Kartellrecht. In diesem Zusammenhang entschied der BGH, dass es sich bei Verträgen über die Vergütung häuslicher Krankenpflege um Verträge handele, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder ihre Verbände gesetzlich verpflichtet seien. Diese seien vom Anwendungsbereich des Kartellrechts ausgeschlossen; dies folge aus § 69 Abs. 2 S. 2 SGB V. Aus diesem Urteil folgern Krankenkassen nun, dass sie anderen Krankenkassen mitteilen dürfen, welche konkreten Vergütungssätze sie mit einem (namentlich benannten) Pflegedienst vereinbart haben.

Diese Schlussfolgerung ist aber verfehlt: Denn aus der Unanwendbarkeit des Kartellrechts folgt nicht, dass Krankenkassen berechtigt sind, Geschäftsinterna der Pflegedienste untereinander auszutauschen. Dies lässt sich unmittelbar aus den Sozialgesetzbüchern ableiten:

Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach dem Sozialgesetzbuch

Sozialdaten werden gemäß § 35 SGB I geschützt. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern (Krankenkassen, Pflegekassen, Reha-Trägern etc.) nicht unbefugt verarbeitet werden). Nun handelt es sich bei Interna aus den Vergütungsverhandlungen nicht um Sozialdaten, da ihnen der notwendige Bezug zu einer natürlichen Person fehlt. Jedoch wird in § 35 Abs. 4 SGB I statuiert, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Sozialdaten gleich stehen. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden also wie Sozialdaten geschützt. Das Begriffspaar des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses wird in § 76 Abs. 2 S. 2 SGB X definiert:

„Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.“

Unter diese Definition lassen sich Interna aus Vergütungsverhandlungen (insbesondere die vereinbarten Preise oder auch der Stand der Verhandlungen) zwanglos fassen. An dem Betriebs- oder Geschäftsbezug würde es jedoch dann fehlen, wenn eine Krankenkasse einer anderen Krankenkasse lediglich eine ausgehandelte Vergütungshöhe mitteilt, ohne offen zu legen, für welchen Pflegedienst diese gilt und auch aus den Umständen nicht ersichtlich ist, welcher Pflegedienst betroffen ist. Derartige anonyme Auskünfte dürften erlaubt sein.

Damit werden Interna aus Vergütungsverhandlungen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wie Sozialdaten geschützt. Eine gesetzliche Befugnis zur Weitergabe der Geheimnisse kann dem Gesetz nicht entnommen werden.

Rechtsfolgen: Schutz analog DS-GVO

Daraus wiederum folgt, dass Krankenkassen diese Daten zu schützen haben und dass Pflegedienste einen Anspruch auf diesen Schutz haben. Doch welche Ansprüche hat nun ein Pflegedienst gegen eine Krankenkasse, die einer anderen Krankenkasse mitteilt, welche Vergütungshöhe mit dem Pflegedienst ausgehandelt wurde?

Nach § 35 Abs. 2 S. 2 SGB I gilt die DS-GVO auch für den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, so dass betroffenen Pflegediensten das gesamte Arsenal an Rechten zusteht, wie sie auch einer natürlichen Person unter Geltung der DS-GVO zustehen würden. Insbesondere:

  • Auskunftsrechte (Art. 13)
  • Berichtigung und Löschung (Art. 16 ff.)
  • Schadensersatz (Art. 82)

Darüber hinaus käme unter den entsprechenden (strengen) Voraussetzungen ein zivilrechtlicher Amtshaftungsanspruch in Betracht, der ebenfalls auf Schadensersatz gerichtet ist, alternativ Ansprüche wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, § 823 Abs. 2 BGB. Selbstverständlich steht es Pflegediensten auch offen, in solchen Fällen die zuständigen Aufsichtsbehörden zu kontaktieren und die Vorfälle zu melden (§ 81 SGB X) oder ggf. über strafrechtliche Konsequenzen nachzudenken. § 78 SGB X enthält ein Verwertungsverbot: die Daten dürfen nur zu solchen Zwecken verwendet werden, zu denen sie rechtmäßig erlangt wurden.

In der juristischen Literatur wird auch darauf hingewiesen, dass bei der Verletzung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses eine vorbeugende Unterlassungsklage im einstweiligen Rechtsschutz vor den Sozialgerichten statthaft ist. Dies deckt den Fall ab, dass der Pflegedienst einen begründeten Verdacht hat, dass die Kasse seine Geheimnisse weitergeben wird. Der Pflegedienst kann so bei entsprechenden Verdachtsmomenten (bspw. einer Wiederholungsgefahr oder eine entsprechenden Ankündigung durch die Krankenkasse) proaktiv die Offenbarung verhindern.

Fazit

Sollte ein Pflegedienst Kenntnis davon erlangen, dass eine Krankenkasse ein ihn betreffendes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, ist er nicht rechtlos gestellt und kann gegen die delinquente Krankenkasse vorgehen. Ihm stehen insbesondere die sich aus der DS-GVO ergebenden Rechte zu. Denn solange die Krankenkassen nicht in allen Bundesländern gemeinsam und einheitlich mit dem Pflegedienst verhandeln, handelt es sich um die Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Ein solches gegen Recht und Gesetz verstoßendes Verhalten muss nicht hingenommen werden!

Die Autor:innen

Aufmacherbild: Adobe Stock/Marco2811