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Es muss nicht immer Dekubitus sein

Zwischen einem Dekubitus und einer Inkontinenz assoziierten Dermatitis zu unterscheiden ist nicht immer einfach. Gerhard Schröder erläutert, wie die Hautprobleme auseinander zu halten sind.

Jeder dritte Pflegebedürftige in der ambulanten Pflege hat Probleme mit der Haut infolge von Feuchtigkeit und Reibung. Wenn ein Hautschaden am Gesäß auftritt, hält man diesen häufig für einen Dekubitus. Das muss nicht sein. Zu unterscheiden ist zwischen einer Inkontinenz Assoziierten Dermatitis (IAD) und einem Dekubitus.

Von Gerhard Schröder

Besonders ältere Menschen sind betroffen: Jeder dritte Pflegebedürftige in der ambulanten Pflege hat Probleme mit der Haut infolge Einwirkung von Feuchtigkeit und Reibung. Die Feuchtigkeit ist z.B. Urin, Schweiß oder Wundexsudat. Solche Hautschädigungen nennt man „MASD“ (Moisture Associated Skin Damage – also Hautschaden durch Feuchtigkeit). Doch wenn ein Hautschaden am Gesäß auftritt, hält man diesen häufig für einen Dekubitus. Nachfolgend die Unterschiede zwischen Dekubitus und IAD (Inkontinenz Assoziierte Dermatitis) sowie Möglichkeiten der Prävention. 2014 hat sich eine internationale Arbeitsgruppe zusammengesetzt, um das vorhandene Wissen zusammenzutragen und zu veröffentlichen. Schnell wird klar: Vieles basiert auf Erfahrung, wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen noch. Es besteht auch hier großer Forschungsbedarf.

Was ist eine IAD?

Eine Inkontinenz Assoziierte Dermatitis ist „eine irritative Kontaktdermatitis (Entzündung der Haut), die bei Patienten mit Stuhl- und/oder Harninkontinenz auftritt“ (Beeckman D et al. Proceedings of the Global IAD Expert Panel. Incontinenceassociated dermatitis: moving prevention forward. Wounds International 2015). Eine IAD entsteht also immer durch Urin und/oder Stuhl. Stuhl ist wegen des höheren Ammoniakgehaltes wesentlich aggressiver als Urin, der jedoch häufiger als Inkontinenzform vorkommt.

Zunächst ist ein rosafarbenes Erythem erkennbar, das sich flächig über große Hautflächen erstreckt. Weil die Haut entzündet ist, kann sie wärmer und härter sein. Bei Wunden sind diese bis in die Dermis, also die zweite Hautschicht, reichend. Eine IAD ist meist schmerzhaft, kann jucken oder brennen. Auf dem Boden einer IAD kann sich sehr schnell eine Pilzinfektion entwickeln: Rund 30 Prozent der Patient:innen mit einer IAD haben eine Mykose. Mykosen zeigen sich als leuchtend roter Ausschlag, der sich von einem zentralen Bereich ausbreitet. Die Diagnose einer Mykose ist jedoch schwierig und sollte durch einen Abstrich ergänzt werden. Hier sollte die ambulante Pflege den Dermatologen rechtzeitig einschalten. IAD kann überall dort auftreten, wo die Haut Kontakt mit Urin oder Stuhl hat: Perineum (also der Bereich zwischen Anus und Vulva bzw. Skrotum). Bei Frauen sind typischerweise die Schamlippen betroffen, bei Männern das Skrotum und die Innenseiten der Oberschenkel.

Die Tabelle stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen Dekubitus und IAD dar. Denn mehr als 60 Prozent der Hautschäden am Gesäß werden fälschlicherweise für einen Dekubitus gehalten.

Dennoch muss darauf geachtet werden, dass der Hautschaden durch Feuchtigkeit die elastischen Eigenschaften der Haut negativ verändert und somit der Faktor Druck schneller einen Dekubitus entstehen lässt. Bei allen Patient:innen, die einen Feuchtigkeitsschaden der Haut haben und gleichzeitig immobil sind, muss Dekubitusprävention durchgeführt werden.

Wie entsteht eine IAD?

Bei der IAD wird zunächst die oberste Schicht der Haut – die Epidermis – geschädigt. Dies erfolgt durch Feuchtigkeit (Aufquellen) und Reibung. Die oberste Hautschicht ist aus einer besonderen Schicht der Keratinozyten mit Eiweißbausteinen und Feuchtigkeit aufgebaut. Der pH-Wert der normalen Haut ist leicht sauer bei 5 bis 5,5, wodurch die Abwehr durch Bakterien auf der Haut unterstützt wird. Zusätzlich wird durch den pH-Wert die Barrierefunktion der obersten Hautschicht gestärkt. Stuhl hat einen deutlich höheren pH-Wert als Urin und zerstört den Hautschutz stärker. Möglicherweise spielen auch spezielle Medikamente wie Antibiotika (inzwischen durch Studien belegt), Steroide, Chemotherapeutika oder deren Metabolite eine Rolle.

Ebenfalls kann eine falsche Vorbeugung/Behandlung IAD verstärken: längerer Kontakt mit Urin und/oder Stuhl; absorbierende Inkontinenzmaterialien, da sie die Feuchtigkeit an der Hautoberfläche halten, wenn die Hälfte des Fassungsvolumens erreicht ist; häufige, intensive Reinigung der Haut mit Reibung durch Waschlappen. Wichtigste Risikofaktoren einer IAD: Art der Inkontinenz (besonders hohes Risiko bei Stuhlinkontinenz); okklusive Inkontinenzprodukte; schlechter Hautzustand, eingeschränkte Mobilität, Einschränkungen bei Körperhygiene; erhöhte Körpertemperatur, spezielle Arzneimittel; schlechter Ernährungszustand.

Inkontinenz verursacht keinen Dekubitus, ist aber ein Risikofaktor. Wenn die Haut bereits geschädigt ist, treten druckbedingte Schädigungen schneller auf. Je größer das Risiko für eine IAD, desto größer das Risiko für Dekubitus.

 

Termin: Kongress für Außerklinische Intensivpflege und Beatmung

Gerhard Schröder hält auf dem KAI 2022 am 27. und 28. September in Essen einen Vortrag über die Unterschiede zwischen IAD und Dekubitus und hat darüber hinaus das Programm des zweitägigen Wundplenums zusammengestellt.

Wie kann man vorbeugen?

Zur Risikoeinschätzung gibt es verschiedene Instrumente, von denen das IADIT-D ein Instrument mit Empfehlungen ist. Allerdings werden Assessments in dem Papier nicht empfohlen, sondern eine regelmäßige Hautinspektion. Dennoch sollte die IAD in die drei Schweregrade eingeteilt werden: Keine Rötung, Haut intakt. Kategorie 1 (gerötete, aber intakte Haut) und Kategorie 2 (gerötete Haut mit Hautschäden).

Zwei Schritte zur Prävention:

  • Management der Inkontinenz
  • Strukturiertes Hautpflegeprogramm: Reinigung, Hautschutz.

Aufmacherbild: Adobe Stock/MQ-Illustrations