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Heimdialyse Teil 1: die Versorgungslücke schließen

Während in Deutschland zunehmend über Lösungen zur Versorgung chronisch kranker Patienten in ihrer Häuslichkeit nachgedacht wird, klafft noch immer eine

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Während in Deutschland zunehmend über Lösungen zur Versorgung chronisch kranker Patienten in ihrer Häuslichkeit nachgedacht wird, klafft noch immer eine Versorgungslücke für hilfebedürftige, dialysepflichtige Patienten, die sich für ein Heimdialyseverfahren entscheiden. Versorgungsformen für Nierenersatzverfahren, die Dialysebehandlungen durch Pflegeanbieter im häuslichen Umfeld unterstützen können – assistierte Peritonealdialyse (aPD) und assistierter Heimhämodialyse (aHHD) – sind bislang nicht als anerkannte Therapieformen im Richtlinienkatalog der häuslichen Krankenpflege vorgesehen. Daher gründete sich 2017 das Netzwerk NADia-Netzwerk Assistierte Dialyse mit dem Ziel, bundesweite Strukturen zur Umsetzung der assistierten Dialyse zu etablieren.

AUSGANGSLAGE

Terminales Nierenversagen ist eine chronische, nicht heilbare Erkrankung. Betroffene sind entweder auf eine Nierentransplantation oder auf eine lebenslange Nierenersatztherapie angewiesen. Aktuell werden in Deutschland ca. 90.000 Patienten mit einem Nierenersatzverfahren behandelt, 92,58 Prozent mit Hämodialyse im Dialysezentrum, 6,68 Prozent mit Peritonealdialyse (PD) und 0,5 Prozent mit Heimhämodialyse (HHD). Die Zahlen der Dialysepatienten steigen seit einem Jahrzehnt mit einer Wachstumsrate von 2 Prozent; der Anteil der älteren und multimorbiden Patienten (>75 Jahre) wächst überproportional stark mit 3-4 Prozent. Gegenwärtig ist jeder 5. Patient an der Dialyse über 80 Jahre alt, Menschen über 75 Jahre bilden die stärkste Gruppe der Neuzugänge. Der Altersmedian der inzidenten Patienten hat von 1996 bis 2016 um ca. 6 Jahre auf aktuell 71 Jahre zugenommen. Damit einhergehen zunehmende Krankheitskomplexität mit hohem Aufwand für medizinische und pflegerische Leistungen. Mehr als 40 Prozent der prävalenten Dialysepopulation müssen pflegerische Leistungen durch Angehörige oder Pflegeinstitutionen in Anspruch nehmen.

Patienten mit der Diagnose terminale Niereninsuffizienz stehen vor großen Veränderungen in ihrer Lebensführung und benötigen daher eine umfangreiche Aufklärung durch das behandelnde Dialyseteam. Gemeinsam mit dem Patienten (shared decision making) und den Angehörigen wird das Dialyseverfahren festgelegt.

Individuell angepasst an die medizinisch sinnvolle Dialyseoption und den Alltag des Patienten können verschiedene Möglichkeiten der Dialyse gewählt werden.

1. HÄMODIALYSE

Bei der Hämodialyse (HD) wird der Patient dreimal wöchentlich in einem Dialysezentrum behandelt. Das kann je nach Situation des Patienten mit hohen Transportkosten und hohem zeitlichen Aufwand verbunden sein.
Voraussetzung für die HD Behandlungen ist ein Dialysezugang, ein Shunt oder ggf. ein zentralvenöser Katheter. Der Shunt ist eine chirurgisch hergestellte Verbindung zwischen einer Arterie und einer Vene, bevorzugt am Unterarm. Zu Beginn jeder HD Behandlung werden zwei Hohlnadeln in den Shunt eingeführt. Über eine Nadel wird ein geringer Teil des Blutes entnommen und durch den Hämodialyse Kreislauf (Dialysemaschine und Dialysator) geleitet. Der Dialysator, der aus einem Bündel von Hohlfasern besteht deren Membranen semipermeabel sind, ermöglicht die Entfernung von überschüssigem Körperwasser und Abfallprodukten. Gleichzeitig werden wichtige Bluteiweiße und die Blutzellen zurückgehalten. Während das Blut durch die Hohlfasern fließt und die Dialysierflüssigkeit diese Fasern umspült, finden verschiedene physikalische Vorgänge die Dialyse statt. Nachfolgend wird das gereinigte Blut über die zweite Nadel in den Körper zurückgeführt. Nach Behandlungsende werden beide Nadeln wieder entfernt.

2. PERITONEALDIALYSE

Bei der Peritonealdialyse wird das Bauchfell – das Peritoneum – als natürliche Filtermembran genutzt, um das Blut zu reinigen und überschüssiges Körperwasser zu entfernen. Das Bauchfell kleidet alle Bauchorgane und die Innenwand der Bauchhöhle aus. Es bildet auf diese Weise einen abgeschlossenen Raum, die Peritonealhöhle. Durch einen Katheter, der in der Bauchdecke implantiert ist, wird die Dialysierflüssigkeit in die Peritonealhöhle geleitet. Die PD-Flüssigkeit verbleibt für mehreren Stunden in der Bauchhöhle und reichert sich in diesem Zeitraum mit den zu entfernenden Giftstoffen und überschüssigem Körperwasser an. Danach wird die „verbrauchte“ PD-Lösung entfernt und durch frische PD-Lösung ersetzt. Dieser Prozess wird Beutelwechsel oder CAPD (kontinuierlich ambulante Peritonealdialyse) genannt und wird viermal am Tag wiederholt.

Peritonealdialyse kann auch als APD (automatisierte Peritonealdialyse) mit einer portablen Maschine (Cycler) erfolgen. Der Patient ist z.B. über Nacht acht bis zehn Stunden mit dem Cycler verbunden, die Dialysierflüssigkeit wird während dieser Zeit automatisch getauscht. Der Cycler steuert das Füllen und Entleeren des Bauchraums mit der Peritonealdialyselösung nach Verordnung durch den Nephrologe automatisch. Sind die Patienten nicht mehr in der Lage die PD eigenständig durchzuführen, können Angehörige oder Pflegeanbieter nach entsprechender Schulung in die Versorgung mit eingebunden werden. Diese Versorgungsoption ist die assistierte PD (aPD).

3. HEIMHÄMODIALYSE

Die Heimhämodialyse (HHD) führt der Patient in seiner Häuslichkeit eigenständig durch. Auch hierfür gibt es bereits Ansätze zur assistierten Versorgung durch geschulte Fachkräfte von Pflegeanbietern. Zeit, Länge und Häufigkeit der HHD hängen vom medizinischen Zustand und der Lebensführung des Patienten ab.
Es gibt unterschiedliche Optionen für Heimhämodialyse:

  • in der konventionellen Heimhämodialyse wird die vier bis sechs-stündige Behandlung tagsüber dreimal pro Woche durchgeführt
  • in der nächtlichen Heimhämodialyse wird die Behandlung während des Schlafes durchgeführt. Die Dialyse erfolgt entweder jede Nacht oder jede zweite Nacht für acht bis zehn Stunden
  • kurze tägliche Heimhämodialysen werden fünf bis sieben mal wöchentlich für jeweils zwei bis drei Stunden durchgeführt.

WELCHE PATIENTEN PROFITIEREN BESONDERS VON DER (ASSISTIERTEN) PD?

Indikationen für Peritonealdialyse sind insbesondere kardiorenales Syndrom, hepatorenale Syndrom und Diabetes mellitus Erkrankungen. Diese Erkrankungen kommen gerade bei älteren Patienten gehäuft vor, eine Dialysetherapie mit Peritonealdialyse ist mit einem besseren medizinischen Outcome verbunden. Die Heimdialyseverfahren PD und HHD ermöglichen den Patienten grundsätzlich eine freiere, den Lebensumständen angepasste Lebensgestaltung. Höheres Alter und vergesellschaftete Erkrankungen führen jedoch zunehmend zum Verlust von Autonomie und sind daher häufig ein Hindernis zur Umsetzung der PD im häuslichen Umfeld. Sind die Patienten nicht mehr in Lage sich selber zu dialysieren, können geschulte Pflegekräfte im Rahmen der assistierten Heimdialyseverfahren die Patienten unterstützen. Strapaziöse und kostenintensive Transporte zu den Dialysezentren können zu Gunsten zunehmender Lebensqualität entfallen. Älteren, eingeschränkten Patienten wird in den häufigsten Fällen die PD und HHD als mögliches Dialyseverfahren gar nicht erst angeboten. Die primären Gründe dafür sind fehlende Versorgungsstrukturen für assistierte Dialyse durch Pflegeanbieter und ungeregelte Kostenübernahmen für assistierte Leistungen durch die Kostenträger. Um die Versorgungsnachteile für diese immer größer werdende Patientengruppe zu beseitigen, wurde das bundesweite Netzwerk NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse mit dem Ziel gegründet, ressourcen-übergreifende Lösungen für die effektive Versorgung von Dialysepatienten im häuslichen Umfeld zu etablieren.

Teil zwei folgt in vier Wochen, am 30. Juli. Weitere Artikel zu Praxis und Management in der außerklinischen Intensivpflege finden Sie hier.

 

Autoren: Kerstin-Brigitte Iseke, Ursula Oleimeulen, Marius Greuèl, Benno Kitsche; Mitglieder Steuerungsteam NADia

Bild: Adobe Stock/mailsonpignata