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KAI 2022 – Klare Aussagen in unklaren Zeiten

An zwei Tagen kamen rund 800 Besucher zum Kongress für außerklinische Intensivpflege und Beatmung nach Essen.

An zwei Tagen kamen rund 800 Besucher zum Kongress für außerklinische Intensivpflege und Beatmung nach Essen.

Was ist nützlich, was geht heute schon? Tauchte die Digitalisierung in der Pflege zunächst als „Angstmacher“ auf, wird der Begriff zunehmend positiv besetzt: z.B. mit putzigen Pflegerobotern und manchmal auch als heilsbringende Lösung gegen den Personalmangel. Doch wie lässt sich die Digitalisierung in der außerklinischen Intensivpflege tatsächlich gewinnbringend einsetzen? Das war eine der großen Fragestellungen auf dem Innovationsforum im Rahmen des Kongresses für außerklinische Intensivpflege und Beatmung (KAI) am 27. und 28. September in Essen.

Digitalisierung und Faktor Mensch

Björn Gorniak, Produktmanager bei Connext Communication, zeigte, wie Anwendungen der Sprachsteuerung, die Vernetzung mit Beatmungsmonitoren, intelligente Pflegebetten und Apps für Klienten, Angehörige und Ärzte die Welt der außerklinischen Intensivpflege erleichtern können. „Ja, eine Sprachdokumentation kann Arbeit sparen. Aber sie kann auch Risiken bergen, wenn man sich nicht auf die Sprachdokumentation einlässt“, sagte Gorniak. „Man darf nicht davon ausgehen, dass die Sprachdokumentation die Arbeit von alleine macht.“

Nur eine Stunde zuvor hatte Tim Schneider von der Zava Sprechstunde Online GmbH konkrete Anwendungsmöglichkeiten der Telepflege aufgezeigt. Fragen zum Datenschutz solcher Anwendungen konnte er dabei schon im Keim ersticken. „Der Videodienstanbieter ist für den Datenschutz verantwortlich“, stellte Schneider klar. Klaus Graf, Projektberater Telemedizin bei der RKT Rettungsdienst oHG, hob hervor, dass Digitalisierung nur ein Hilfsmittel sein. Es brauche immer den Faktor Mensch. „Aktuell haben wir soviel Druck im System, dass sich unbedingt etwas tun muss“, so Graf. „Telepflege wird sich viel mehr verbreiten“, lautet seine Prognose. Doch aktuell laufe die Telematik-Infrastruktur schleppend, obwohl sie eine elementare Voraussetzung ist. „Wir brauchen eine Vernetzung unter den Leistungserbringern“, fordert Graf.

Den Hygieneplan kennen

Neben der Digitalisierung ist das Thema Hygiene spätestens seit der Corona-Pandemie von brennendem Interesse besonders für die außerklinische Intensivpflege. Annette Geißler, Qualitätsmanagement Hygiene der Schönes Leben Gruppe,  und Patrick Ziech, Hygiene-Netzwerkkoordinator beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt, hatten sich vorgenommen, ein Update zu den aktuellen Bestimmungen zu geben. “Es ist gut, wenn man als Pflegefachkraft weiß, wo der Hygieneplan ist. Wissen Sie, wo der bei Ihnen steht“, fragte anfangs Geißler in die Runde. „Viel wichtiger als das ‚Wo‘ ist aber das ‚Was‘ im Hygienplan“, ergänzte Geißler. Sie wies explizit darauf hin, dass vom 1. Oktober bis zum 7. April 2023 in stationären und teilstationären Einrichtungen Hygienebeauftragte genannt werden müssen. „Sie bekommen Geld dafür, aber es steckt auch ein Aufwand wie der Dokumentation dahinter“, so Geißler. Diese Anforderung sei aber nicht für ambulante Dienste und auch nicht für Wohngemeinschaften der außerklinischen Intensivpflege.

Abschließend gab sie einen Blick in den Herbst und Winter und die Herausforderungen, die das Corona-Virus in den kalten Monaten für die Hygiene in der Pflegepraxis mit sich bringt. „Die Pandemie ist für die vielen Vorerkrankten nicht vorbei“, sagte sie angesichts der zurückgegangenen Infektionsschutzmaßnahmen. Wegen der zusätzlichen Energieprobleme könnte es aus ihrer Sicht auch zu Engpässen in der Schutzkleidung kommen. „Mir ist es wichtig, dass wir Hygienemaßnahmen gezielt einsetzen und es nicht übertreiben“, stellte sie klar.

Patrick Ziech erläuterte das Prinzip der Surveillance in Bezug auf nosokomiale Infektionen und Multiresistente Erreger. „Wie häufig sind Sie von Infektionen betroffen?, fragte er in die Runde der Teilnehmer:innen. Diese Frage beantwortete er anhand der SIMPATI-Studie, an der er maßgeblich beteiligt ist. „Mehr Infektionen als die Anzahl der Patienten konnten nachgewiesen werden“, so Ziech. Harnwegsinfektionen sind außerhalb des Krankenhauses die häufigste Infektionsart, stellte Ziech hervor. 

Der KAI 2022 in Bildern

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Nähe und Distanz in der Intensivpflege

Die Krankheit des Kunden belastet immer auch die Pflegekraft. Einfühlungsvermögen und Mitgefühl sind ebenso gefragt, wie professionelle Distanz. Kolleginnen und Kollegen sind in besonderem Maße auf fachlich korrekte Kommunikation angewiesen. Dazu kommt, dass Pflegekräfte plötzlich mittendrin im Familienleben sind. Das kann Konflikte mit sich bringen. Auf dieses Konfliktfeld ging Unternehmens-Coach Marc Bennerscheidt eindringlich ein, indem er in vielen Beispielen verdeutlichte, wie eine professionelle Kommunikation zwischen Nähe und Distanz für eine Pflegekraft möglich ist. Neben dem medizinischen Kontext gehe es auch darum, mit den Patienten in den psychosozialen Kontext zu kommen.

Schleppende Vergütungsverhandlungen

Natürlich stand auch das Thema tarifähnliche Bezahlung im Fokus des KAI. Franziska Dunker, Rechtsanwältin bei Voelker und Partner, berichtete von schleppenden Vergütungsverhandlungen bei den Kassen, wegen mangelnder Personalausstattung. Auch würden die Kassen suggerieren, dass eine Refinanzierung erst dann erfolgt, wenn das GVWG abgeschlossen ist. Die häufigst genannten Tarifverträge seien TVöD, AVR Caritas AVR Diakonie und ABVP. „Was ich nicht merke ist, dass die Kassen sich aktuell vernetzen. Eigentlich müssten das jetzt auch die Pflegedienste tun“, sagte Dunker an die Teilnehmenden gerichtet.

Programmbeirat und Premieren

Der KAI ist und war schon immer mehr als nur ein Fachkongress. Er soll die Besucherinnen und Besucher nicht nur informieren, er soll sie verbinden und die außerklinische Intensivpflege so stärken. Daher entstand das Programm 2022 auch gemeinsam mit einem Programmbeirat aus Mitgliedern der relevantesten Intensivpflegeverbände und Fachgesellschaften Deutschlands gestaltet worden. Dieser besteht aus: der Interessengemeinschaft für Anbieter außerklinischer Intensivpflege NRW (IDA NRW), dem Intensivpflegeverband Deutschland (IPV), der Bundesarbeitsgemeinschaft Phase F, dem Kompetenznetzwerk außerklinische Intensiv- und Beatmungspflege (KNAIB), dem Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege (BHK) und der Akademie für Wundversorgung.

Eine Premiere feierte das „Open Care Festival-Forum“ auf dem KAI. Hier präsentierten die Veranstalter des Festivals, das 2019 erstmals in Essen stattfand, ihre Version von Kongressprogramm für die außerklinische Intensivpflege. Mit einem zweigeteilten Raumkonzept zeigten sie, wie sich die Beatmungssituation in der Wohngemeinschaft und der stationären Versorgung unterscheiden. Dazu kamen noch Megacodetrainings, Trachealkanülenwechsel, Telemedizin sowie musikalische Beiträge, die zum Netzwerkabend überleiteten. Auch das gehört zum KAI.

Der nächste KAI findet am 5. und 6. September 2023 wieder in Essen statt.

Fotos: Rainer Jensen