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Katrin Pucknat: “Ich spreche hier von Würde und Lebensqualität”

Katrin Pucknat ist Präsidentin von Medizintechnik-Anbieter ResMed Germany. Im Interview mit Häusliche Pflege-Redakteur Tim Walter spricht Sie über die Entwicklungen in der außerklinischen Intensivpflege und die Markperspektiven, die der Konzern in Deutschland sieht.

Häusliche Pflege: Frau Pucknat, in der außerklinischen Intensivpflege bewegt sich im Moment gerade politisch eine ganze Menge. Die Entwicklungen um das GKV-IPReG haben einen großen Einfluss auf die Versorgung der beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten, besonders hinsichtlich des Entwöhnungspotenzials. Welche Rolle kann und will ResMed in dieser Entwicklung spielen?

Katrin Pucknat: Es gibt sehr weit auseinanderklaffende Meinungen zum GKV-IPReG und dem Wert, den es schafft. Und ich sehe auch immer wieder die tragischen Geschichten, die um das Thema entstehen. Wenn Menschen, die in der außerklinischen Intensivpflege versorgt werden, vor allen Dingen in der Häuslichkeit, aufgefordert werden, sich in eine stationäre Einrichtung zu begeben, halte ich das schon für ein sehr bedenkliches Thema. Da muss man mit sehr viel Fingerspitzengefühl ran gehen. Unser Ziel bei ResMed ist es grundsätzlich, dass wir versuchen, den Menschen in der Außerklinik ein möglichst langes, gesundes und vor allen Dingen qualitativ gutes und würdiges Leben zu ermöglichen. Und dazu gehört für uns natürlich ganz konkret, dass man diese Menschen nicht belastet mit zusätzlichen Arztbesuchen, Klinikaufenthalten, dem Gefühl kontrolliert zu werden. Ich glaube, das sind ganz kritische Themen und da setzt Telemonitoring oder Remote-Patient-Monitoring an. Mit der digitalen Therapiebegleitung, die über Telemonitoring möglich wird, sind viele gute Dinge machbar. Man kann heutzutage, zum Beispiel die Beatmungsparameter, vom Beatmungsgerät in die Cloud übertragen. Dies ist mit Geräten von ResMed oder mit Geräten anderer Hersteller möglich. Und man kann diese Werte verknüpfen mit weiteren Variablen, die von anderen Geräten übertragen werden. Man kann das Ganze telemedizinisch bewerten lassen von Experten und dann auch eine Handlungsempfehlung aussprechen. Und das kann eigentlich relativ unsichtbar im Hintergrund laufen, sodass die mentale, emotionale und auch die körperliche Belastung im Sinne von ‚wir müssen jetzt jemanden zum Arzt bringen oder wir müssen jetzt jemand ins Krankenhaus bringen‘, damit nicht notwendig ist. Wir würden uns von der Politik wünschen, dass schneller die Weichen gestellt werden, diese Möglichkeiten in der Regelversorgung einsetzen zu können. Aktuell ist dies leider nicht möglich. Es gibt keine vernünftigen Vergütungsstrukturen und Regelungen, wie das umgesetzt werden kann und da wird aus meiner Sicht ganz viel Potenzial auf der Strecke gelassen. Zum einen zum Nachteil der Patienten selbst. Ich spreche hier noch mal von Würde und Lebensqualität, zum anderen aber auch von einer Belastung für das Gesundheitssystem. Es ist nicht so, als hätten die Ärzte und das Pflegepersonal da draußen nichts zu tun. Das betrifft auch die außerklinischen Pflegeeinrichtungen, die nicht wirklich glücklich sind, wenn Patienten über längere Zeiträume stationär aufgenommen werden müssen. Da ist die Politik jetzt am Zug, sich Gedanken zu machen. Es ist die eine Sache zu sagen, dass man besser hinschauen will, ob jemand in der Häuslichkeit betreut werden kann oder nicht und dabei Wert auf die Qualität legt. Aber ich finde, die Politik hat auch die Verpflichtung, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, das Ganze möglichst würdevoll umzusetzen.

Häusliche Pflege: Sie sagen, entsprechende Vergütungsstrukturen sind bisher nicht vorhanden. Wie wird denn der Einsatz des Telemonitorings bei beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten aktuell finanziert?

Katrin Pucknat: Im Prinzip nur im Rahmen von Selektivverträgen. Wobei es auch diese im Moment nicht in der Form gibt, und da sehe ich den größten Ansatzpunkt. Da geht es auch gar nicht mal so sehr um uns als Hersteller, sondern darum, den Anreiz vor allen Dingen für die Ärzte zu schaffen. Wer macht denn am besten die Bewertung, ob ein Patient zum Beispiel geweant werden kann oder nicht? Oder ob ein Patient zum Beispiel zurück ins Krankenhaus muss, weil er kurz vor einer Exazerbation steht? Das sind normalerweise die Kliniker. Das Problem ist aber, dass die Ärzte, wenn der Patient entlassen ist, theoretisch gar keinen Zugriff mehr auf ihn haben. Dann wird auf die ambulante Betreuung verwiesen. Und die ambulanten Ärzte haben normalerweise weder die Kapazität noch die Möglichkeiten, das durchzuführen. Und wie gesagt, auch da findet ja keine Vergütung statt. Und in der Klinik ist das Problem, dass mit der Entlassung sozusagen die Hoheit der Klinik wegfällt. Wir müssen noch Möglichkeiten schaffen, dass auch aus der Klinik heraus ein Populationsmanagement oder ein Betreuungskonzept für die Patienten, die aus der Klinik entlassen wurden, möglich ist. Damit die Klinik, natürlich Hand in Hand mit einem Netzwerk von niedergelassenen Ärzten, gemeinsam diesen Patienten bestmöglich betreuen kann. Und ich glaube, das würde dann in reduzierten Krankenhauseinweisungen und akuten Fällen resultieren und gleichzeitig könnte man dann eben auch diese Betrachtung der Weaning-Möglichkeiten besser und vor allen Dingen kompetenter durchführen lassen.

Häusliche Pflege: ResMed hat MEDIFOX DAN übernommen. Warum?

Katrin Pucknat: ResMed als Konzern weltweit hat schon seit vielen Jahren zwei große Geschäftsbereiche. Das ist die Herstellung und der Vertrieb von Schlaf- und Beatmungsgeräte, mit den damit verbundenen digitalen Lösungen. Und das zweite Standbein ist seit vielen Jahren in den USA der Bereich „Software as a Service“. Wir haben uns durch die Akquisen von zwei Großunternehmen, nämlich Brightree und MatrixCare, zu einem der größten Anbieter im Bereich der außerklinischen Softwarelösungen entwickelt. MatrixCare ist sehr stark im Bereich Home Care unterwegs und ist einer der Marktführer, sehr analog zu MEDIFOX DAN, im Bereich der Softwarelösungen für die außerklinische Pflege. Also Altersheime, ambulante Pflegedienste etc. In den USA ist das Konzept sehr erfolgreich – da sind es im Prinzip zwei Standbeine, die als separate Unternehmen laufen. Man hat die letzten Jahre immer wieder drüber gesprochen, dass man doch ins internationale Ausland gehen sollte. ResMed hat schnell gesehen, dass Deutschland ein sehr attraktiver Markt ist. Wir sind in Deutschland eben als deutsche ResMed Niederlassung seit vielen Jahren mit einem sehr starken Business unterwegs. Wir sind im Markt sehr solide aufgestellt und haben einen großen Fußabdruck mit über 800 Mitarbeitenden. Die MEDIFOX DAN Gruppe ist damals, als wir angefangen haben uns umzusehen, was denn potenzielle Akquisetargets wären, sehr schnell ganz oben auf die Liste gekommen, weil sie einfach vom Geschäftsmodell, vom Geschäftserfolg, aber auch kulturell sehr gut zu ResMed zu passen schien. Das war so ein bisschen Fügung des Schicksals, als dann tatsächlich das Unternehmen zum Verkauf stand und wir gesagt haben, wir machen jetzt den nächsten Schritt ins internationale Ausland und der SaaS-Bereich expandiert nach Deutschland.

Häusliche Pflege: Gibt es denn Überlegungen, die Softwareangebote von MEDIFOX DAN auch etwas für die außerklinische Intensivpflege weiterzuentwickeln?

Katrin Pucknat: Die gab es schon vor der Akquise. Die MEDIFOX DAN hat ja zum Beispiel die Firma SmartAware gekauft. SmartAware macht Lernlösungen und digitales Lernen für Pflegeanbieter und hat da einen sehr starken Fokus auf die Intensivpflege und besonders auf die Kinderintensivpflege. Die MEDIFOX DAN ist kein Unternehmen, das Krankenhauslösungen in den Mittelpunkt stellt, sondern seinen Fokus wirklich auf die außerklinische Pflege legt. Also gab es diese strategischen Ansätze schon vorher und natürlich werden wir, wenn jetzt die erste Integrationsphase hinter uns liegt, uns zusammensetzen und zu überlegen, wie wir gemeinsam am Markt Lösungen schaffen können.

Häusliche Pflege: Abseits von MEDIFOX DAN: Sollen denn ResMed-Produkte künftig auch mit anderen Softwareanbietern kompatibel sein?

Katrin Pucknat: Das versuchen wir schon seit vielen Jahren. Auch abseits der MEDIFOX DAN ist es natürlich immer wieder der Wunsch unserer Verordner, zu sagen, wir möchten eigentlich gerne die Therapiedaten der Geräte in unseren Abrechnungssystemen sehen. Weil es natürlich viel einfacher für eine Pflegeeinrichtung ist, wenn man die Daten der Beatmungsgeräte zum Beispiel direkt ins Managementsystem reinfließen lassen und dann daraus direkt auch eine Abrechnung generieren kann. Das gilt auch für die Krankenhäuser. Wir sind seit vielen Jahren an Integrationsprojekten mit den großen Krankenhaussystemen dran. Aber wir haben auch im Bereich der ärztlichen Versorgung immer wieder Vorstöße gemacht mit den großen Anbietern von Praxis-Managementsystemen zusammenzuarbeiten. Das gestaltet sich aber sehr schwierig.

Häusliche Pflege: Plant ResMed, sich noch weiter auf dem deutschen Markt zu vergrößern?

Katrin Pucknat: Ich würde es so formulieren: Der deutsche Markt ist immer noch sehr attraktiv, er ist der zweitgrößte Gesundheitsmarkt der Welt. Wie gesagt, wir sind in Deutschland sehr erfolgreich, wir haben hier eine sehr solide Position. Wir sitzen nicht jeden Tag hier und fragen uns, wen wir kaufen können. Aber wir haben natürlich eine klare Strategie und in dieser sind wir auch offen, gegebenenfalls weitere Akquisen zu tätigen. Aber es muss strategisch passen, es muss von der Unternehmenskultur passen und es muss natürlich auch vom Finanzprofil her passen. Von daher würde ich es nicht ausschließen, aber es ist ja auch jetzt nicht so, dass wir sagen, es muss morgen gleich das Nächste passieren.


Foto: Christian Kasper