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Mit Sprache dokumentieren – Projekt “SprintDoku”
Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die Anwendung von Künstlicher Intelligenz stellen ambulante Dienste verstärkt vor Herausforderungen. Begriffe wie KI, Spracherkennung

Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die Anwendung von Künstlicher Intelligenz stellen ambulante Dienste verstärkt vor Herausforderungen. Begriffe wie KI, Spracherkennung und Digitalisierung in der mobilen Arbeit und die damit einhergehenden Arbeitsmethoden sind für die Beschäftigten meist nicht direkt greifbar. Exemplarisch am Beispiel der KI-unterstützten Spracherkennung und Sprachsteuerung soll aufgezeigt werden, dass die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag leisten kann, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.
Von Ingolf Rascher und Heinrich Recken
Prozesse digitalisieren und optimieren
Dokumentationstätigkeiten haben in den letzten Jahrzehnten einen immer größeren Anteil an Arbeitszeit eingenommen, die im Pflegealltag angesichts des akuten Fachkräftemangels ohnehin knapp bemessen ist. Aus der Praxis wird oft berichtet, dass der notwendige Umfang der Pflegedokumentation von den Beschäftigten als Belastung oder pflegefremde Tätigkeit angesehen wird. Umso mehr verwundert es, dass nicht stärker Technologien eingesetzt werden, um Prozesse zu digitalisieren.
Ausgangspunkt ist im Folgenden die Frage, ob durch die Gestaltung der Dokumentationsarbeit in ambulanten Diensten mittels digitaler Dokumentation in Verbindung mit Spracherkennung und Sprachsteuerung eine Arbeitserleichterung bezüglich der Prozesse, Gestaltung und Abläufe erreicht wird. Es geht darum, Prozesse nicht nur digital, sondern durch Digitalisierung besser zu machen. Berichtet wird hier von Ergebnissen aus dem vom BMAS geförderten Projekt SprintDoku (www.sprint-doku.de) und Erfahrungen aus Praxisanwendungen im Rahmen der Initiative GutePflege:Digital (www.gutepflege.digital).
Projekt SprintDoku
Im Projekt SprintDoku erfolgte die Umsetzung bei einem ambulanten Pflegedienst im Ruhrgebiet, der aus vier Pflegeteams besteht und mit ca. 120 Beschäftigten etwa 600 Klient:innen versorgt. Primäres Ziel war die Entlastung/Unterstützung von professionell Pflegenden bei der Erfassung von Dokumentationsinhalten in der EDV-gestützten Pflegedokumentation.
Grundvoraussetzung ist immer die Analyse und Anpassung der technischen Infrastruktur an die spezifischen Anforderungen zum Einsatz einer elektronischen Pflegedokumentation in Verbindung mit KI-gestützter Spracherkennung und -steuerung. Das bedeutet, so banal es klingt: keine elektronische Patientenakte – keine Digitalisierung. Im ambulanten Dienst müssen hierfür die notwendigen Voraussetzungen hinsichtlich Hardware, Software, Serverkonfigurationen, W-LAN und Lizenzrechten geschaffen werden. Der zeitliche und organisatorische Implementierungsaufwand ist abhängig vom Stand der technischen Infrastruktur zu Beginn des Einsatzes einer sprachgesteuerten Pflegedokumentation. Anzustreben ist auf jeden Fall eine möglichst hohe Passgenauigkeit zwischen der Technologie und der Organisation des Pflegedokumentationsprozesses (u.a. SIS, Pflegediagnosen, stationäre/mobile Dokumentation).
Projekt “SprintDoku” auf dem KAI 2022
Autor Heinrich Recken stellt das Projekt “SprintDoku” im Rahmen des “Innovationsforums” auf dem Kongress für Außerklinische Intensivpflege 2022 vor! Alle Infos zu Kongress und Buchung unter: kai-intensiv.de/kongress.
Ein Erfolgsfaktor liegt bei der Bereitschaft der Beschäftigten, sich auf neue Technologien einzulassen. Zunächst gilt es, die Mitarbeitenden dahingehend zu bestärken, die Herausforderungen der digitalen Transformation gemeinsam besser zu bewältigen. Digitalisierung kommt nicht in einem Karton mit der Aufschrift „Achtung Digitalisierung“ ins Unternehmen, den man nur aufmachen muss. Auch die Frage „Wann geht das denn wieder weg?“ ist zu beantworten mit: „Das geht nicht mehr weg – Digitalisierung bleibt!“ Bewährt haben sich Reflektions- oder Experimentierräume, in denen der Umgang mit der digitalen Technologie erlernt werden kann. Sie sind dann erfolgversprechend, wenn es um eine Prüfung von Hilfsmitteln für ganz unterschiedliche Einsatzszenarien oder Anwendergruppen geht. Das Potenzial der Experimentierräume liegt vor allem darin, die Technologie direkt mit der Praxis zu entwickeln, anzuwenden, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Das Einbeziehen von Mitarbeitenden als Anwender und andere Projektanspruchsgruppen (z.B. Mitarbeitervertretung, Führungskräfte) ist direkt möglich.
Beim Projekt SprintDoku zeigte sich in der Praxis, dass die technologische Anpassung der beiden Systeme Sprache und Dokumentation gut miteinander zu verbinden und eine datenschutzkonforme Ausgestaltung möglich ist. Die Spracherkennung wurde überwiegend zur Eingabe von längeren Texten genutzt. Bei kürzeren Texten, z.B. einem einzelnen kurzen Pflegeberichtseintrag, wurde von den Beschäftigten die Tastatur als Eingabemedium genutzt. Am häufigsten war eine hybride Nutzung von Spracheingabe, Tastatur- und Mauseingabe festzustellen. Wenn die „neue Technologie“ nicht als Belastung, sondern als Entlastung erfahren wird, die auch die Dokumentation der Pflegequalität steigern kann, sind Mitarbeitende eher bereit, diese zu nutzen. Auch Arbeitgeber werden durch Arbeitsanalysen erkennen, dass eine positive Kosten-Nutzen Abwägung vorliegt. Befragungen mit dem Short User Experience Questionnaire (S-USQ), einem etablierten, validierten Instrument, das eine schnelle Messung verschiedener Kriterien der Softwarequalität und der damit einhergehenden Benutzerzufriedenheit erlaubt, zeigten in allen Dimensionen (Attraktivität, Durchschaubarkeit, Effizienz, Vorhersagbarkeit, Stimulation und Originalität) eine überdurchschnittliche Benutzerzufriedenheit bei den Anwendern.
Fazit
Durch den Einsatz einer adaptiven sprecherunabhängigen Spracherkennung in Verbindung mit den eingesetzten elektronischen Dokumentationssystemen konnten die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Es erfolgte eine Reduzierung des Zeitaufwands für die Dokumentation. Dadurch verblieben mehr Zeitanteile für andere Aufgaben wie die Beratung. Eine verbesserte Pflegequalität zeigte sich durch die zeitnahe Verfügbarkeit relevanter Dokumente und weniger Schnittstellenprobleme zwischen den Abteilungen der Einrichtungen (z.B. Verwaltung – Pflege).
Erfahrungen aus der Initiative GutePflege:Digital
Erste Erfahrungen aus der Initiative GutePflege:Digital zeigen, dass der Einsatz von KI Beschäftigte bei ihren pflegefachlichen Entscheidungen, als Vereinbarungsprozess zwischen Klient und Pflegefachkraft und unter Beteiligung von weiteren an der Pflege und Betreuung beteiligten Personen unterstützen kann. Das geschieht, indem z.B. vorhandene Daten analysiert, mögliche Risiken für den Klienten auf der Grundlage von transparent hinterlegten Algorithmen identifiziert und den Beschäftigten Handlungsempfehlungen vorgeschlagen werden. Das gilt auch für die KI-unterstützte Spracherkennung. Das Bewerten der Empfehlungen (Textvorschläge oder Hinweise zur Verbesserung der Pflegedokumentation) und die mögliche Übernahme in die Pflegedokumentation oder den Pflegeprozess liegen in der Verantwortung der Fachkraft. Verschiedene Systeme der Spracherkennung und Sprachsteuerung (Nuance; 3M, Voize, andere) sind auf dem Markt verfügbar. Bei einer Pflegesoftware wie Vivendi NG Ambulant der Connext Communication sind Systeme der Spracherkennung bereits möglicher Bestandteil der Dokumentation.
Der Einsatz von Spracherkennung und -steuerung in der Pflege wird in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Dazu beitragen wird auch die Verwendung von Smartphones für die direkte (datenschutzkonforme) sprachliche Eingabe in die Pflegedokumentation. Sie werden in der ambulanten Pflege ein wichtiger Treiber der Digitalisierung sein.
Autoren:
Aufmacherfoto: Hamburger Fernhochschule
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