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Neurocare 2.0 & Syndrom reaktionsloser Wachheit – Rahmenbedingungen für die Versorgung

Im zweiten Teil der Artikelserie zu Neurocare 2.0 geht es um die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit.

Adult and child hands holding encephalography brain paper cutout, Epilepsy awareness, seizure disorder, mental health concept Adult and child hands holding encephalography brain paper cutout, Epilepsy awareness, seizure disorder, mental health concept

Im ersten Teil der Artikelserie zu „Neurocare 2.0“ hat Autor Florian Seybecke Bewusstseinszustände und Diagnostik beschrieben (Teil 1). Im zweiten Teil geht es nun um die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit.

Von Florian Seybecke

Um eine den heutigen Anforderungen entsprechende optimale Versorgungssituation für Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit zu schaffen, müssen Träger von Einrichtungen der Phase F Rahmenbedingungen schaffen.

Zu diesen Rahmenbedingungen gehören vor allem die Oberpunkte der „Einrichtung/ Umgebung“, die „materiellen und personellen Ressourcen, pflegerisches weitergebildetes Fachpersonal und ein transdiziplinäres Team Konzept.

Die Einrichtung sollte so aufgebaut sein, dass eine optimale Bereichsaufteilung vorliegt. Dies hat besonders den Vorteil, dass das pflegerische und therapeutische Personal einen besseren Überblick und vor allem kurze und direkte Laufwege zu den Patienten*innen Zimmern hat. Ebenfalls sollte ein Therapieraum in der Einrichtung zu finden sein, in dem die Therapeuten*innen der Institution die Patienten*innen in einem neutralen Rahmen außerhalb des Patienten*innen Zimmers behandeln können.

Die Empfehlungen gehen in die Richtung, ein zentrales Patienten*innen-Monitoring einzurichten. Dies hilft vor allem dabei, sich einen gesamten Überblick zu verschaffen, Vitalzeichenabweichungen rechtzeitig zu erkennen und in Notfallsituationen schnell reagieren zu können.

Ein Huddleboard hilft dabei, die Arbeit im trandiziplinären Teams zu verbessern. Ein Huddleboard ist ein Planungsboard, welches einen zentralen Platz in der Einrichtung einnimmt, auf welchem das komplette Tagesgeschehen organisatorisch geplant wird und die Kommunikation aller Akteure*innen in der Institution untereinander verbessert. Das transdiziplinäre Team trifft sich in individuell festgelegten Abständen vor dem Board zur Situationsbesprechung und Prozessevaluation.

Therapie und Personalschlüssel

Für eine bedarfsgerechte Versorgung und Langzeitrehabilitation von Menschen mit schweren Hirnschädigungen ist unbedingt zu beachten, dass die Institution über die geeigneten Therapiegeräte verfügt. Hierzu gehören vor allem Vertikalisierungs- und Stehtrainer, eine Therapiebank, verschiedene therapeutische Möbel und Sitzgelegenheiten und ausreichend Positionierungsmaterial.

Die rehabilitative Pflege eines Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit ist eine Herausforderung für alle Akteure der Einrichtung. Deshalb ist es ratsam, einen geeigneten Versorgungsschlüssel anzustreben. Hierbei sollte man sich die Frage stellen, wie viele Patienten*innen in einem schwerst pflegerischen Zustand von einer Pflegefachperson versorgt werden können. Viele Einrichtungen der neurologischen Langzeitrehabilitation der Phase F nutzen einen von 1:3, dies bedeutet, dass eine Pflegefachperson drei Patienten*innen versorgt.

Das Fachpersonal der Institution sollten alle Fachgebiete abdecken und vor allem weitergebildet sein. Zu den empfohlenen Weiterbildungen im pflegerischen Bereich gehört eine Basisqualifikation im Bereich der außerklinischen Beatmung, eine Weiterbildung zum Pflegeexperte*in für Menschen im Wachkoma oder Wachkomatherapeut*innen. Das Therapie-Team sollte aus Logopäden*innen, Physio- und Ergotherapeut*innen, die auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft weitergebildet sind, bestehen. Ein Fachärzt*innenteam besteht bestenfalls aus Neurologen*innen, Anästhesisten*innen und Allgemeinmediziner*innen.

Das transdiziplinäre Team

In der heutigen Zeit und vor allem in der ganzheitlichen Betreuung und Rehabilitation von Menschen mit dem Syndrom reaktionsloser Wachheit ist der transdizplinäre Ansatz das Mittel der Wahl. Aus dem oft genutzten multiprofessionellen Ansatz, welcher zum Beispiel aus dem pflegerischen, therapeutischen und ärztlichen Team sowie den Angehörigen der/des Patient*in besteht, übernimmt jeder Akteur seine Rolle im Prozess und erledigt seine Dienste am Betroffenen. Der Interdisziplinäre Ansatz geht hier etwas weiter und rückt die Akteure des Prozesses näher zusammen. Es findet ein Austausch untereinander statt. Beim transdiziplinären Ansatz erfolgt unter den Akteuren ein noch engerer Austausch und gegenseitige Expertise der verschiedenen Professionen. Anders als beim interdiziplinären Ansatz, findet hier eine gemeinsame Reflektion der Arbeitsprozesse innerhalb von Fall- oder Verlaufskonferenzen zusammen mit dem Patienten*in statt.

Aufmacherfoto: Adobe Stock/sewcream