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Prävention von Harnwegsinfektionen

In Krankenhäusern sind Harnwegsinfektionen die zweithäufigste nosokomiale Infektion (23,2 Prozent). Davon treten 80 Prozent im Zusammenhang mit einem Harnwegskatheter auf.

Urological catheter in the hands of a doctor. Close-up.

In Krankenhäusern sind Harnwegsinfektionen die zweithäufigste nosokomiale Infektion (23,2 Prozent). Davon treten 80 Prozent im Zusammenhang mit einem Harnwegskatheter auf. Eine europaweite Studie (Prävalenzerhebung) hat gezeigt, dass in deutschen (Alten-)Heimen die Harnwegsinfektion mit 28,4 Prozent die am häufigsten auftretende Infektion darstellt. Auf den Plätzen zwei und drei des Infektions-Rankings treten Haut-, Weichgewebe- (27,9 Prozent) und Atemwegsinfektionen (24,7 Prozent) auf.

Als ein Risikofaktor für eine Harnwegsinfektion gilt unter anderem die dauerhafte Katheterisierung der Harnwege. Etwa 10 Prozent der Heimbewohner haben einen Harnwegskatheter. Davon erhalten 28 Prozent eine Antibiose und erleiden 22 Prozent eine Infektion.

Grundsätzlich werden dreiviertel der prophylaktisch und mehr als zweidrittel der therapeutisch indizierten Antibiosen gegen Harnwegsinfektionen verschrieben [1]. Das legt natürlich den Verdacht nahe, dass es zwischen der Anwendungsrate von Harnwegskathetern, der Antibiotika-Verschreibungsrate und der Kolonisationsrate multiresistenter Erreger einen Zusammenhang gibt [2]. Dies lässt sich jedoch aufgrund verschiedener Begleitfaktoren nicht so einfach belegen.

Die S3 Leitlinie über die ambulant erworbenen Harnwegsinfektionen der Deutschen Gesellschaft für Urologie empfiehlt bei katheterisierten Patienten die Abnahme einer Urinkultur vor einer Antibiotikatherapie [3]. Doch aufpassen: Die KRINKO-Empfehlung weist darauf hin, dass ein Keimnachweis (Bakteriurie) nicht zwingend einer Harnwegsinfektion gleichzusetzen ist. Der Keimnachweis dient vielmehr der Unterstützung bei der klinischen Diagnostik sowie der zielgerichteten Antibiotikatherapie. Die antibiotische Behandlung einer asymptomatischen Bakteriurie bei liegendem Katheter bedarf einer strengen Indikationsstellung und sollte nur in begründeten Ausnahmefällen durchgeführt werden. Nur ein sehr geringer Anteil der Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie entwickelt eine symptomatische Infektion [4].

Die Erreger von Harnwegsinfektionen stammen grundsätzlich aus der körpereigenen Keimflora der Bewohner/Patienten selbst. Das liegt vor allem daran, dass die natürlichen Abwehrmechanismen durch die Anlage eines Harnblasenkatheters durchbrochen werden. Allerdings sind auch Übertragungen von einem Bewohner/Patient zu anderen (z. B. über Hände bzw. gemeinsam genutzte Gegenstände wie Urinflaschen, Steckbecken und Urometer) möglich sind, welche zu Ausbrüchen führen können [4–6].

Der infektionshygienische Vorteil eines suprapubischen Katheters gegenüber dem transurethralen Katheter kann aufgrund der unterschiedlichen Studienergebnisse nicht sicher belegt werden [4, 6].

Doch was hat das nun mit der außerklinischen Intensivpflege (AIP) zu tun?

Bisher haben sich erst zwei Untersuchungen mit der Häufigkeit von Harnableitungssystemen in der AIP beschäftigt. In der Erhebung des Stadtgesundheitsamts München (Studiengröße N=273) hatten 32 Prozent der Patienten einen Dauerkatheter. In der späteren Untersuchung des Gesundheitsamtes Frankfurt wurden sogar 55 Prozent der AIP-Patienten mit Harnwegskathetern versorgt (Studiengröße N=11). Diese beiden Veröffentlichungen zeigen also, dass Patienten in der AIP vielfach häufiger mit Harnwegskathetern versorgt werden als Bewohner in den (Alten-) Heimen und somit auch ein höheres Risiko für Infektionen und Antibiosen haben. Hier stellt sich schon die Frage, warum das so ist. Zumal in den Diskussionen mit Pflegekräften teilweise von noch höheren Anwendungsraten von Harnwegskathetern ausgegangen wird.

Indikationsstellung

In vielen Empfehlungen wird die strenge Indikationsstellung als herausragende Präventionsmaßnahme angesehen [4]. Im Klinikum soll eine tägliche ärztliche Prüfung der Indikation für einen Katheter durchgeführt und dokumentiert werden.

Es wird in mehreren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Harnwegkathetern auf das medizinisch vertretbare Minimum zu reduzieren und dessen Entfernung zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzustreben ist [3, 4, 7, 6].

Bitte nehmen Sie an einer kurzen Umfrage zum Thema teil. Damit möchte sich die Sektion Hygiene einen Eindruck über die Relevanz des Themas und die Praxis in den Pflegediensten verschaffen: https://www.surveymonkey.de/r/P7P66CF


Autor: Patrick Ziech, Hygiene-Netzwerkoordinator im Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA)

Foto: Adobe Stock/Iuliia Alekseeva

Literatur:

  1. Ruscher C, Kraus-Haas M, Nassauer A, Mielke M (2015) Healthcare-associated infections and antimicrobial use in long term care facilities (HALT-2). Deutsche Ergebnisse der zweiten europäischen Prävalenzerhebung. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 58(4-5): 436–451. doi: 10.1007/s00103-015-2126-5
  2. Heudorf U, Gasteyer S, Müller M, Samoiski Y, Serra N, Westphal T (2016) Prevention and control of catheter-associated urinary tract infections – implementation of the recommendations of the Commission for Hospital Hygiene and Infection Prevention (KRINKO) in nursing homes for the elderly in Frankfurt am Main, Germany. GMS hygiene and infection control 11(11): 1–8. doi: 10.3205/dgkh000275
  3. Kranz J, Schmidt S, Lebert C, Schneidewind L, Vahlensieck W, Sester U, Fünfstück R, Helbig S, Hofmann W, Hummers E, Kunze M, Kniehl E, Naber K, Mandraka F, Mündner-Hensen B, Schmiemann G, Wagenlehner FME (2017) Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten : Aktualisierung 2017 der interdisziplinären AWMF S3‑Leitlinie. https://scholar.google.de/scholar?hl=de&as_sdt=0%2C5&q=s3+leitlinie+ambulant+erworbene+Harnwegsinfektionen+2017&btnG=
  4. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) (2015) Prävention und Kontrolle Katheter-assoziierter Harnwegsinfektionen. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 58(6): 641–650. doi: 10.1007/s00103-015-2152-3
  5. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) (2005) Infektionsprävention in Heimen. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 48(9): 1061–1080. doi: 10.1007/s00103-005-1126-2
  6. Lewalter K, Haefner H, Lemmen S, Scheithauer S (2013) Die katheterassoziierte Harnwegsinfektion – was gibt es Neues? Krankenh.hyg. up2date 08(01): 25–38. doi: 10.1055/s-0032-1326392
  7. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2014) Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege, Osnabrück