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Silber in der Wundbehandlung: Doch mehr Risiken als angenommen
Zur lokalen Wundbehandlung werden seit rund 40 Jahren sogenannte moderne Wundauflagen verwendet. Diese arbeiten nach dem Prinzip der hydroaktiven Verbände:

Zur lokalen Wundbehandlung werden seit rund 40 Jahren sogenannte moderne Wundauflagen verwendet. Diese arbeiten nach dem Prinzip der hydroaktiven Verbände: Sie halten die Wunde feucht und sollen dadurch die Wundheilung unterstützen – heilen können sie allerdings nicht.
Wenn beispielsweise keine Durchblutung gegeben ist, kann auch eine moderne Wundauflage die Wunde nicht zur Heilung bringen, weil die Ursache die Minderdurchblutung ist. Anfänglich wurden Hydrokolloidverbände eingesetzt, die später durch Schaumverbände mehr oder weniger abgelöst wurden.
Hinzu kamen im Laufe der Zeit immer mehr unterschiedliche Verbände: Alginate, Hydrofasern, Hydrogele und auch spezielle Verbände, die einen Wirkstoff freisetzen. Hierzu zählen Verbände, die ein Antiseptikum abgeben wie Polyhexanid (PHMB) oder die mit Silber arbeiten. Silber wird seit der Antike verwendet, da man die bakterientötenden Eigenschaften schon lange entdeckt hatte. Dabei wirken meist Silberionen, das Silber selbst bleibt im Verband. Bekannt ist jedoch auch, dass Silber für lebendes Gewebe schädlich sein kann. Eine neuere Studie der Universität Duisburg hat die schädlichen Eigenschaften von Silber näher untersucht. Die Ergebnisse machen nachdenklich.
Es gibt erhebliche Unterschiede
Silberhaltige Wundauflagen werden nicht generell bei allen Wunden eingesetzt. Sie kosten deutlich mehr als nicht silberhaltige Produkte. Im häuslichen Bereich schwanken die Preise je nach Hersteller und Produkt zwischen unter 20 Euro bis fast 100 Euro pro Wundauflage. Da die Wundauflagen das „Budget“ des niedergelassenen Arztes belasten, sind manche sehr zurückhaltend bei teuren Wundauflagen. Doch viele wissen auch nicht, was die Wundauflagen wirklich kosten.
Die Wundauflagen mit Silber unterscheiden sich zunächst nach primären und sekundären Verbänden: Primäre kommen bei tieferen Wunden zum Einsatz und werden als Erstes (primär) in die Wundauflage gelegt, als Tamponade. Dann kann grundsätzlich das Silber direkt an der Wundoberfläche wirken. Zu diesen Verbänden zählen beispielsweise die Alginate oder Hydrofasern. Sekundäre Verbände dagegen werden auf einen primären Verband als Abdeckung gelegt oder bei oberflächlichen Wunden nur alleine zur Abdeckung der Wunde verwendet.
Eine Übersicht der auf dem Markt befindlichen silberhaltigen Wundauflagen erstellt von Werner Sellmer aus Hamburg – einem Fachapotheker, der sich seit Jahrzehnten mit Wundbehandlung beschäftigt – zeigt doch erstaunlicherweise sehr unterschiedlichen Konzentrationen von Silber in den Wundauflagen: Einige haben rund 3 mg Silber pro Wundauflage (Größe 10 mal 10 Zentimeter), andere haben fast 200 mg Silber pro Wundauflage. Ein Grund für diese unterschiedliche Dosierung könnte sein, dass die Hersteller verschiedene Arten des Silbers benutzen: fest gebundenes elementares Silber, andere nutzen nanokristallines Silber, Silber Sulfadizin, ionisches Silber, Silbersulfat, metallisches Silber usw. Man sollte annehmen, dass das alles medizinische Produkte sind und im Rahmen der Zulassung geprüft sind. Doch das ist nur eingeschränkt der Fall, weil die meisten der Silberverbände als Medizinprodukte eben keine Arzneimittel sind und deshalb keine klinischen Studien wie bei Arzneimitteln benötigen.
Für den Anwender in der Praxis erschließen sich diese Unterschiede meistens nicht. Den Anwendern ist nicht bekannt, wie viel Silber der jeweilige Verband enthält und welchen Verband man bei welcher Wunde einsetzt. Und von den Herstellern kommen keine gezielten Hinweise, welche Konzentration bei welcher Wunde erforderlich ist – mangels Studien.
Neue Studien bestätigen Verdacht
Ein Team um Prof. Dr. Stephan Barcikowski vom Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg/ Essen hat in drei Publikationen auf neue Erkenntnisse zum Thema Silber hingewiesen: Zum einen fand man bestätigt, dass Silber in der vorhandenen Dosis bei Wundauflagen auch menschliche Gewebszellen schädigt und zum anderen schwächt ein Bluteiweiß die Wirkung des Silbers auf Bakterien.
Die Arbeitsgruppe verwendete für ihre Untersuchungen Silber-Nanopartikel, die sie in Kunststoffe einbetteten. Dadurch sind die Nanopartikel fest im Kunststoff eingebunden, geben jedoch Silberionen – also die lösliche Form des Silbers – ausreichend ab. In Zusammenarbeit mit der medizinischen Hochschule Hannover (Prof. Dr. Meike Stiesch) konnte die keimtötende Wirkung von Silber bestätigt werden. Nachfolgende Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Silberionen die für die Wundheilung wichtigen Fibroblasten nennenswert schädigen. Fibroblasten werden zur Bildung von Gewebe benötigt. In weiteren Tests wurde bestätigt, dass die Schädigung der Fibroblasten tatsächlich von den Silberionen und nicht vom Kunststoff ausging. Gaben die Forscher den Proben zusätzliche Albumin (Eiweiß des menschlichen Blutes) hinzu, verschlechterte dies die antibakterielle Wirkung des Silbers, während die zellschädigende Wirkung gleichblieb. Die Forscher untersuchen nun andere Nanomaterialien aus Zink, Eisen oder Magnesium und prüfen, ob diese besser verträglich und genauso wirksam sind.
Autor: Gerhard Schröder; Lehrer für Pflegeberufe; info@akademie-fuer-wundversorgung.de
Foto: iStock/fermate
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