Praxis FB
Technische Heilung bei Diabetes Mellitus
An der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus sind derzeit mehr als sieben Millionen Menschen betroffen. Täglich kommen 500 Menschen dazu. Bisher ist

An der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus sind derzeit mehr als sieben Millionen Menschen betroffen. Täglich kommen 500 Menschen dazu. Bisher ist Diabetes mellitus nicht heilbar, sondern die Betroffenen müssen regelmäßig den Blutzucker messen und Insulin zuführen oder Medikamente einnehmen. Die Technik schreitet mit großen Schritten in den letzten Jahren voran. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist Diabetes nicht durch Einsatz von neuester Technik so zu kontrollieren, dass die Betroffenen ein weitgehend unabhängiges und selbstbestimmtes Leben führen können? Die Antwort: Ja, es ist möglich.
Blutzuckerselbstkontrolle
Die Selbstmessung der kapillären Blutglucosekonzentration – also die Selbstkontrolle mittels Bluttropfen aus einem Finger – zeigt für den Betroffenen einen einzelnen Wert an. Der große Nachteil dabei ist, dass dieser Einzelwert nichts über die Schwankungen des Blutzuckers aussagt. Dadurch können beispielsweise Insulindosen verabreicht werden, die jedoch zu einer zu starken Absenkung des Blutzuckerspiegels führen. Auch der sogenannte Langzeitwert HbA1C gibt nur einen gemittelten Wert an. Über Blutzuckerschwankungen, Unterzuckerungen oder Überzuckerungen kann der Wert nichts aussagen. Besonders bei Kindern muss deshalb bis heute auch in der Nacht die Messung durch Einstechen in die Fingerkuppe durchgeführt werden. Eine für die Kinder und Eltern sehr belastende Situation. Bei Erwachsenen muss deshalb die Messung vier bis sieben mal am Tag durchgeführt werden. Es wird empfohlen, dass Patienten mit Diabetes Typ 1 und mehrfachen Insulindosen pro Tag alle zwei bis drei Wochen auch einmal nachts den Blutzucker selber messen sollten. Diabetiker Typ II sollten den Blutzucker vier bis fünf mal am Tag selber messen, sofern sie mehrfach am Tag Insulin verabreichen. Patienten mit einem nicht-insulinpflichtigen Diabetes Typ II sollten bei Verdacht auf Hypoglycämie den Blutzucker messen.
Korrekte Durchführung
Die Blutzuckerselbstkontrolle muss nach einem Standard durchgeführt werden, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen:
- Vor dem Messen die Hände mit Seife waschen und abtrocknen (Hautcreme, Essensreste, Desinfektionsmittel können die Messung verfälschen). Wenn das nicht möglich ist: den ersten Bluttropfen wegwischen und zur Messung den zweiten nutzen.
- Nicht in Zeigefinger oder Daumen stechen, nur seitlich in die Fingerbeere einstechen. Nur so tief einstechen, dass ein Bluttropfen kommt. Vernarbungen an den Messstellen sind nicht sinnvoll.
Lanzetten zum Stechen nur einmal verwenden, - Teststreifen immer in verschlossener Dose aufbewahren und nicht an den Messstellen berühren.
- Die Packungsbeilage der Messstreifen beachten: Welche Medikamente können die Ergebnisse verfälschen? In welchem Temperaturbereich darf gemessen werden?
- Symptome des Patienten sind wichtiger als ein Messergebnis.
Kontinuierliche Blutzuckermessung
Seit 15 Jahren stehen Geräte zur kontinuierlichen Blutzuckermessung zur Verfügung. Sie messen über die Zwischenzellflüssigkeit (Interstitium) in Abständen von fünf Minuten über 24 Stunden. Die Ergebnisse werden numerisch und grafisch dargestellt, ein Pfeil zeigt an, wie der Trend aussieht. Genutzt werden für die Messung meistens Nadelsensoren, die eine Verbindung mit Smartphones oder Anzeigegräten herstellen. Diese Nadeln müssen alle etwa alle sieben Tage gewechselt werden. Aktuell wurde ein Langzeitsensor entwickelt, der bis zu sechs Monate genutzt werden kann und implantiert wird. Die ermittelten Daten werden entweder kontinuierlich an das Smartphone übermittelt oder, wenn das Empfangsgerät an den Sensor gehalten wird. Studien zeigen, dass durch die Nutzung dieser kontinuierlichen Messsysteme nicht automatisch die Blutzuckerwerte besser eingestellt sind. Dies liegt vor allem daran, dass die Patienten meist nur in der Bedienung, nicht aber in der Nutzung der Daten geschult worden sind. Leider sind die Messqualitäten diese Systeme bisher nicht ausreichend sicher, so dass die Systeme nicht zuverlässig genug Hypoglycämien erkennen können.
Spürt der Patient Zeichen einer Unterzuckerung, sollte er eine Selbstmessung des kapillaren Blutzuckerwertes vornehmen.
Automatische Systeme
Die aktuell entwickelten Systeme gehen noch einen Schritt weiter: Es wird nicht nur der Stoffwechsel gemessen, sondern bei Patienten mit Insulinpumpe wird eine Verbindung zwischen automatischen Messsystem und Insulinpumpe statt. Die Insulingabe wird durch die Blutzuckermessung automatisch geregelt. Man nennt solche Systeme „closed Loop“ – technische Heilung des Diabetes.
Schulungen entscheidend
Bisher sind vollautomatische Systeme in Deutschland nicht zugelassen. Eine vollautomatische Lösung wird nur bei Patienten angewendet, die ihren Stoffwechsel optimal selber einstellen können und spüren, wann der Zucker absinkt. Aber es kann insbesondere bei Kindern die Lebensqualität deutlich verbessen. Sicherlich wird es noch ein paar Jahre benötigen, bis die Systeme in der Messgenauigkeit besser werden und somit auch zuverlässiger das Insulin steuern können. Dies wird jedoch nur funktionieren, wenn die Patienten bestmöglich geschult und betreut werden.
Autor: Gerhard Schröder; Lehrer für Pflegeberufe; Akademie für Wundversorgung in Göttingen; www.akademie-fuer-wundversorgung.de
Bild: Adobe Stock/GordonGrand
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar zu verfassen.
Sie haben noch kein Konto?
Jetzt registrieren