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Teil 2: Was das IPReG für den Markt bedeutet
Im letzten KAI-Management-Update haben die Autorinnen eingeordnet, was der neue Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege für die Branche bedeutet und eingeschätzt,

Im letzten KAI-Management-Update haben die Autorinnen eingeordnet, was der neue Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege für die Branche bedeutet und eingeschätzt, inwieweit nun mit einer Veränderung des Marktes zu rechnen ist. Im zweiten Teil erläutern die Expertinnen von der contec GmbH, was speziell auf die ambulante Intensivpflege zukommt.
Ambulante Anbieter: Zielgruppe im Blick
Für ambulante Anbieter der Intensivpflege kommen im Kontext des neuen Gesetzes verschiedene Fragen auf. Das betrifft zunächst die Qualitätsanforderungen der ausstehenden Rahmenempfehlungen (u. a. personelle Anforderungen/Personalvorhaltung). Zwar gibt es bereits jetzt Qualitätsvorgaben mit den Rahmenempfehlungen für die häusliche Krankenpflege (nach § 132a Abs. 1 SGB V) und/oder Einzelverhandlungen für intensivpflegerische Patient*innen. Es ist aber anzunehmen, dass die neuen Empfehlungen für die Intensivpflege strikter ausfallen.
Könnten die Anforderungen und Anreize für die stationäre Versorgung ambulante Anbieter unter Umständen aus dem Markt verdrängen? Nach Gesprächen mit erfahrenen Anbietern der Branche gehen wir davon aus, dass spezialisierte Dienste die Kriterien auch künftig erfüllen können.
Als schwierig könnte sich für Anbieter vielerorts die vorgegebene Zusammenarbeit mit spezialisierten Vertragsärzt*innen erweisen. Der anhaltende Facharztmangel könnte die Gewinnung von Patient*innen erschweren.
Bei der Abwägung, ob ein Markteinstieg oder eine Ausweitung der Leistungen im Bereich außerklinische Intensivpflege sinnvoll ist, spielt auch die Zielgruppe eine Rolle. Die finanziellen Anreize dürften für einige Leistungsberechtigte die Wahl eines stationären Angebots nahelegen. Der überwiegende Anteil derer, die sich die Versorgung im häuslichen Setting bisher leisten konnten und wollten, wird es voraussichtlich aber auch in Zukunft tun (können). Insbesondere für jüngere Personen und diejenigen, die in familiäre und andere Netzwerke eingebunden sind, wird wohl auch in Zukunft die häusliche Versorgung die erste Wahl sein.
Über den Inhalt der Rahmenempfehlungen und damit auch die Kriterien für die Eignung der eigenen Häuslichkeit als Leistungsort lässt sich momentan nur spekulieren. Neben den Basisvoraussetzungen wie z. B. Wasser und Strom könnte die Größe der Räumlichkeiten eine Rolle spielen.
- Nicht auszuschließen ist, dass kleinere, einzelunternehmerisch geführte Intensivpflegewohngemeinschaften dem Druck durch kostenintensive Anpassungsmaßnahmen der Wohnstätten nicht standhalten können.
Stationäre Anbieter: Einstieg gut durchdenken
Für stationäre Anbieter nach SGB XI stellt sich aktuell die Frage, ob es sich lohnt, ein Angebot von außerklinischen Intensivpflegeplätzen neueinzurichten. Es ist davon auszugehen, dass auch für sie hohe qualitative Anforderungen, insbesondere auch bei der Personalqualifikation, gelten werden. Diese werden denen im ambulanten Bereich wohl nicht nachstehen. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Ärzt*innen ist für Einrichtungen gleichermaßen eine mögliche Hürde. Grundsätzlich sollten stationäre Einrichtungen die Erweiterung des Portfolios gut durchdenken, um sich nicht in strukturelle Schwierigkeiten zu bringen.
Vor dem Hintergrund, dass zuletzt Marktprofilierungen stationärer Pflegeeinrichtungen durch Spezialisierungen notwendig wurden, könnte die Angebotserweiterung auf außerklinische Intensivpflegeplätze dennoch eine interessante Option sein. Geht man von den oben hochgerechneten 2.000 bis 5.000 potenziell Betroffenen als (neuem) außerklinischen Intensivpflege-Markt aus, wären dies bei insgesamt 15.380 Pflegeheimen in Deutschland (Stand 2019, Statista) rein rechnerisch im Schnitt rund 0,1 bis 0,3 intensivpflegerische Patient*innen pro Pflegeheim.
Bisher gibt es in Deutschland ca. 250 stationäre Pflegeeinrichtungen mit Spezialisierungen auf Beatmungspflege, ca. 126 im Bereich der Versorgung von Patient*innen in der Phase F, sowie ca. 40 Einrichtungen, die sich auf die Pflege von Schädel-Hirn-Verletzten spezialisiert haben. Diese Einrichtungen wären theoretisch schon jetzt in der Lage, die Versorgung dieser Betroffenen durchzuführen, vorausgesetzt die Versicherten entsprechen den gesetzlichen Anforderungen für den Leistungsanspruch gem. § 37c SGB V (Zahlen: pflegemarkt.com).
Angesichts der genannten Zahlen ist davon auszugehen, dass der Markt auch für Pflegeeinrichtungen, die mit einer neuen Intensivpflege-Spezialisierung beginnen wollen, ein gewisses Potenzial bietet.
Einrichtungen, die dieses Potenzial ausschöpfen möchten, können mit dem vorhandenen Wissen vorbereitend eine Realisierungsstrategie entwickeln. Abhängig davon, welche Anforderungen die ausgestalteten Rahmenempfehlungen vorsehen, sollte diese Strategie zum gegebenen Zeitpunkt nachjustiert werden. Dies schließt jedoch erste Umsetzungsschritte schon heute nicht aus.
Anfallende Investitionen dürften sich für die Einrichtungen im Rahmen halten. Zumindest im Hinblick auf die dann benötigten spezialisierten Hilfsmittel, wenn diese in den Bereich der Kassenleistungen fallen.
Insbesondere müssten Einrichtungen aber kritisch prüfen, inwieweit die Qualifikation des Stammpersonals gegeben ist. In den meisten Fällen werden Nachschulungen, Weiterbildungen und/oder zusätzliches spezialisiertes Personal benötigt werden. Letzteres ist bekanntermaßen eine knappe Ressource und dürfte die Anbieter vor große Herausforderungen stellen (s. auch: Dr. O. Stegemann, Altenheim, 01/2021).
Intensivpflege: Wer sich gut aufstellt, wird Erfolg haben
Aktuell bringt das GKV-IPReG noch Fragen mit sich – für Patient*innen, Leistungserbringer und Kostenträger. Bis sich die Richtlinie des G-BA und vor allem die Rahmenempfehlungen konkretisieren, fehlt dem Gesetz das ,Handwerkszeug‘. Dennoch lässt das vorhandene Wissen schon Annahmen und Handlungsoptionen zu:
- Für spezialisierte, erfahrene Anbieter in der ambulanten Pflege wird wohl der Markt weiterhin vorhanden sein. Insbesondere durch die jüngeren Intensivpflege-Patient*innen dürfte dieser von Stabilität geprägt sein. Es lohnt sich aber stets der Blick auf die Konkurrenz in der Region: Welche Alleinstellungsmerkmale haben Sie gegenüber Ihrem Wettbewerb bereits bzw. welche können Sie neu schaffen?
- Für stationäre Anbieter haben Spezialisierungen Potenzial. Einrichtungen, die sich im Bereich der außerklinischen Intensivpflege neu spezialisieren wollen, können bereits jetzt mit der Erarbeitung einer Realisierungsstrategie beginnen. Einige Hürden sind zu bedenken, daher ist die gute Vorbereitung das A und O. Wichtig sind: Die Prüfung und Sicherung der eigenen Voraussetzungen, eine ausführliche Marktanalyse mit Blick auf die Region, ein ausgereiftes Spezialisierungskonzept sowie die notwendigen individuellen Verhandlungen mit den Kostenträgern.
Unsere Prognose: Wer die Spezialisierung mit Überzeugung, bedarfsgerechtem Personaleinsatz und guter Vernetzung (weiter)macht, wird mit seinem Konzept Erfolg haben. Gerne unterstützen wir Sie dabei.
Autorinnen: Susanne Rösler, Linda Englisch
Ansprechpartnerin: Susanne Rösler ist Management- und Organisationsberaterin bei der contec GmbH. Sie unterstützt stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen bei fachlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen sowie bei deren strategischer Ausrichtung. Ihre Schwerpunkte liegen in der Prozessanalyse, Organisationsentwicklung sowie im Interim- und Recovery-Management auf Ebene der Einrichtungs- und Pflegedienstleitung.
Kontakt: s.roesler@contec.de
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