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Therapeutische Berufe im IPReG – Aufbruchstimmung für neue Wege

Mit dem Erlass des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetztes (IPReG) am 19.09.2020 wurde erstmals ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, die Qualität in der

Mit dem Erlass des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetztes (IPReG) am 19.09.2020 wurde erstmals ein gesetzlicher Rahmen geschaffen, die Qualität in der außerklinischen Intensivversorgung über einen geregelten Leistungsanspruch zu verbessern und Fehlanreize für eine kostenintensive Versorgung zu vermeiden. Die Rahmenempfehlungen formulieren Qualitätsanforderungen für die Intensivpflege und die ärztliche sowie nicht-ärztliche Versorgung. Ein zentraler Punkt ist, neben der Stärkung der Selbstbestimmung von Betroffenen, die Vermeidung wirtschaftlicher Fehlanreize für die kostenintensive Versorgung von Menschen, die auf eine Beatmung angewiesen sind. In der Praxis bedeutet dies, dass die Potenziale von Betroffenen besser erkannt und voll ausgeschöpft werden sollen. Ferner wird der Anreiz für die versorgenden Berufsgruppen gegeben, die Entwöhnung von einer Beatmung (Weaning) oder einer Trachealkanüle gezielter anzustreben.

TherapeutInnen im IPReG vernachlässigt

Ein genauerer Blick auf das IPReG und auf die Stärkung von Rehabilitation in der ambulanten Intensivversorgung jedoch zeigt, dass eine entscheidende Berufsgruppe vernachlässigt wurde. Denn wer trägt maßgeblich – neben der medizinischen Versorgung – zu einer Rehabilitation bei? Die Therapieberufe der Heilmittel Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Das sind die Akteure in der ambulanten Versorgung, die regelmäßig zwei bis dreimal pro Woche Betroffene therapeutisch begleiten, Therapieziele entwickeln und evaluieren. Es sind die Therapeuten und Therapeutinnen, die Ressourcen ausschöpfen und Potenziale erkennen. Therapeuten sind diejenigen, die per se den Rehabilitationsprozess kontinuierlich und langfristig begleiten, voranbringen und beurteilen. Und dieser Grundgedanke ist schon weit vor dem Erlass des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes in der (Be)Handlungskompetenz der Heilmittelberufe verankert. Ein kontinuierlicher Versorgungsprozess durch die Therapieberufe trägt einen maßgeblichen Beitrag zu einem erfolgreichen Weaning bei. Im Sinne des IPReG werden die Therapieberufe jedoch nur am Rande zu den nicht-ärztlichen Leistungserbringer gezählt, die – wie die ärztliche Versorgung – ihre Tätigkeiten nach Qualitätskriterien ausüben sollen. Es fehlen jedoch konkrete Empfehlungen sowie ein Maßstab für Qualität und definierte Ziele und Erwartungen.

Ob eine Therapie der Logopädie, Ergo- und Physiotherapie nötig ist, in welchem Umfang und welche Therapiemaßnahmen konkret, wird der alleinigen Beurteilungskompetenz des behandelnden Facharztes und der Fachärztin zugeschrieben, nicht aber den Akteuren der Therapieberufen selbst, die jede Woche am Patientenbett stehen.

Fortbildungsmöglichkeiten fehlen

Bisher sind die Therapieberufe in die ambulante Versorgung durch Fortbildungen und durch die praktische Erfahrung hineingewachsen. Gezielte Fort- und Weiterbildungen in diesem speziellen Sektor sind zwar in den letzten Jahren entstanden, bilden aber nach wie vor nur eine kleine Nische in dem Fort- und Weiterbildungsmarkt für Therapieheilberufe.

Während sich in den vergangen Jahren Therapeuten und Therapeutinnen eher aus ihrer intrinsischen Motivation und altruistischem Berufspathos heraus für den Bereich der ambulanten Intensivversorgung fortgebildet haben, ist die Versorgungsqualität im außerklinischen Setting von nun an nicht mehr dem Zufall zu überlassen. Die Berufsausbildung der einzelnen Heilmittelberufe der Logopädie, Ergo- und Physiotherapie allein reicht längst nicht aus, um eine qualitätsorientierende therapeutische Arbeit zu leisten und der Komplexität und mehrdimensionalen Anforderungen von Menschen mit intensivpflegerischem Bedarf gerecht zu werden. Ein wesentlicher Weg, die Rehabilitation zu stärken, ist zunächst einmal die berufliche Qualifikation der therapeutischen Berufsgruppen in der außerklinischen Intensivversorgung zu stärken. Die Richtung ist jedoch erst dann zielführend, wenn der Weg konsequent von allen und zusammen gegangen wird.

Die zertifizierte Weiterbildung zum Fachtherapeuten in der außerklinischen Intensivversorgung (DIGAB) folgt dieser Überzeugung. Demnach erhalten alle Berufszugehörigen von Heilmittelberufen den Zugang zu einer gemeinsamen beruflichen Weiterentwicklung und erwerben berufliche Qualifikationen über ihre grundständige Berufsausbildung hinaus.

Die Qualitätsanforderungen im Sinne des IPReG sind erst dann konkret definiert und realistisch, wenn eine zertifizierte, einheitliche und qualifizierende Weiterbildung in der außerklinischen Intensivversorgung zur Ausübung der Therapieberufe vorausgesetzt wird.

Solange die Rolle der Heilberufe jedoch unterschätzt wird, hat das erklärte Ziel, Menschen aus kostenintensiven Versorgungsformen zu weanen, keinen wirkungsvollen und nachhaltigen Effekt. Den Weg einer qualitätssichernden Versorgung zu gehen, setzt ein qualifiziertes Bildungsangebot voraus, um nachhaltige, effektive sowie auch wirtschaftlich effiziente ambulante Versorgung leisten zu können.


Autorin: Janine Ehlers
Dipl.-Sprachtherapeutin & Ergotherapeutin
VEREGO-AKADEMIE
Maternusstr. 44
50996 Köln
www.verego-akademie.de

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