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Vergütungsverhandlungen: Wo steht die AKI nach zwei Monaten GVWG?

Das GVWG ist nunmehr vor ca. zwei Monaten in Kraft getreten, so dass sich die Frage stellt, wie die Umstellung auf Tarif oder regional übliches Entlohnungsniveau bei den Pflegediensten umgesetzt wird. Während der Gesetzgeber davon ausging, dass die Pflegedienste bis zum 31. August 2022 alle auf Tarif oder regional übliches Entlohnungsniveau umgestellt haben, sieht die Realität leider anders aus.

Das GVWG ist nunmehr vor ca. zwei Monaten in Kraft getreten, so dass sich die Frage stellt, wie die Umstellung auf Tarif oder regional übliches Entlohnungsniveau bei den Pflegediensten umgesetzt wird. Während der Gesetzgeber davon ausging, dass die Pflegedienste bis zum 31. August 2022 alle auf Tarif oder regional übliches Entlohnungsniveau umgestellt haben, sieht die Realität leider anders aus.

Von Franziska Dunker und Stephan Binsch

Viele Pflegedienste zahlen die neuen Gehälter ohne bislang eine angemessene Refinanzierung durch die Kassen zu erhalten. Dies liegt vor allem an drei Gründen:

1. Personelle Unterbesetzung bei den verhandelnden Kassen

Die Personalsituation bei den Krankenkassen ist weiterhin nicht ausreichend, um die Vielzahl an Pflegediensten zu verhandeln. Viele Pflegedienste haben bis jetzt noch nicht mal einen Verhandlungstermin angeboten bekommen.

2. Vielfach fehlende Interimsvergütungen

Dennoch werden erhöhte Interimsvergütungen nur zurückhaltend von den Krankenkassen gewährt, da hier die Sorge besteht, dadurch ein Präjudiz für die Verhandlungen zu setzen. Dass manche Pflegedienste ums nackte Überleben kämpfen, wird dabei völlig außer Acht gelassen. Diese Pflegedienste sollten aber mit dem Gedanken spielen, eine Interimsvergütung im Wege des einstweiligen Rechtsschutz zu erstreiten.

3. Krankenkassen nutzen Auslegungsschwierigkeiten beim regional üblichen Entlohnungsniveau

Die vom Gesetzgeber in letzter Minute noch ins SGB XI eingefügte Umsetzungsvariante des regional üblichen Entlohnungsniveaus – diese Umsetzungsvariante war bis Ende Juni 2022 ausschließlich durch die Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes vorgesehen – und die zugleich erfolgten Änderungen in Bezug auf die bei der Ermittlung der Durchschnittslöhne zu berücksichtigenden Entlohnungsbestandteile haben auch nicht zur Vereinfachung der Vergütungsverhandlungen geführt. Es bestehen an vielen Punkten Auslegungsschwierigkeiten, die noch nicht beseitigt wurden und die von den Kassen gezielt eingesetzt werden, um die Vergütungssätze zu drücken. Diese Unsicherheiten dürfen aber nicht zulasten der Pflegedienste ausgelegt werden. Die von den Krankenkassen vertretenen Rechtsauffassungen sollten keinesfalls unwidersprochen hingenommen werden müssen. Viele Pflegedienste beharren zu Recht auf ihrem Standpunkt, was sich an dem derzeitigen erheblichen Anstieg von Schiedsverfahren beobachten lässt. Diesbezüglich ist hier auch davor zu warnen, dass die Pflegedienste zu niedrige Vergütungen abschließen, um schnellstmöglich zu einem Abschluss zu kommen, da dies sich in mehreren Monaten für die Pflegedienste schlecht auswirken wird. Denn die Kassen werden die Pflegedienste dann an die in der aktuellen Verhandlungsrunde geeinten Parameter und auch geeinten Personalkosten festhalten, so dass Erhöhungen künftig nur schwer verhandelt werden können.

Es ist daher zwingend erforderlich, dass die Pflegedienste sich derzeit nicht auf Vergütungssätze einlassen, die nicht wirtschaftlich sind und nicht einmal die Personalkosten decken.

Auch wenn Schiedsverfahren mit einem erheblichen Aufwand verbunden sind, so sind diese derzeit die einzige Chance um – auch für folgende Verhandlungen – nicht an die jetzt unter Druck geschlossenen „faulen“ Kompromisse gebunden zu sein.

Zu bedenken ist auch, dass Pflegedienste, die sich „unter Wert“ verkaufen, das Verhandeln für die anderen Pflegedienste immer schwieriger machen, da diese dann in dem sog. „externen Vergleich“ von den Krankenkassen angeführt werden. Dass es sich hier um Kompromisse handelt, wird seitens der Krankenkassen dann nicht kommuniziert.


Webinar: Vergütungsverhandlungen in der außerklinischen Intensivpflege

Franziska Dunker und Stephan Binsch berichten am 16. November um 11 Uhr im Webinar über ihre Erfahrungen aus Vergütungsverhandlungen in der außerklinischen Intensivpflege. Für Abonnentinnen und Abonnenten der Zeitschrift Häusliche Pflege ist die Teilnahme kostenfrei.

Fazit

Da eine Vielzahl der Pflegedienste sich für regional übliches Entlohnungsniveau entschieden hat und dort derzeit erhebliche Unsicherheiten bestehen, führt das dazu, dass entweder zu niedrige Vergütungssätze seitens der Pflegedienste angenommen werden oder die unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Umsetzung erst in den kommenden Monaten in Schiedsverfahren geklärt werden.

Bedauerlicherweise handeln derzeit weder die Aufsichtsbehörden noch die Politik, um diese Unsicherheiten zu beseitigen – statt dessen wird die Problematik auf die Schiedspersonen abgewälzt, die auch nicht die personellen Kapazitäten für einen solchen Ansturm haben.

Durch den ganzen Druck dürfen die Pflegedienste sich aber nicht von der Durchsetzung ihrer Rechte abhalten lassen. Denn die Umsetzungsschwierigkeiten beim GVWG dürfen nicht zulasten der Pflegedienste gehen.

Letztlich ist für die außerklinische Intensivpflege auf den § 132a SGB V zu verweisen. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift in der bisherigen Gestaltung beibehalten und dort keine Änderungen vorgenommen. Bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsrechtsregelungen kann daher weiterhin die Vergütung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden!

Die Autor:innen

Aufmacherbild: Adobe Stock/ArLawKa