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Vorstrafen im Vorstellungsgespräch abfragen

Will der Arbeitgeber einen neuen Mitarbeiter oder einen Auszubildenden einstellen, darf er den Bewerber nicht nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren jeder

Vorstrafe – Laptop Monitor im Büro mit Begriff im Suchfeld. Paragraf und Waage. Recht, Gesetz, Anwalt

Will der Arbeitgeber einen neuen Mitarbeiter oder einen Auszubildenden einstellen, darf er den Bewerber nicht nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren jeder Art befragen. Der Arbeitgeber darf nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren einholen, die für den Arbeits- oder Ausbildungsplatz relevant sind.

§ 123 BGB regelt das Recht zur Anfechtung „des Vertrags“ bei Täuschung oder Drohung. Demnach kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis anfechten, wenn der Mitarbeiter den Arbeitgeber arglistig getäuscht hat. Hierzu zählt auch die Konstellation, dass der Bewerber im Vorstellungsgespräch auf eine zulässige Frage des Arbeitgebers hin falsche Angaben macht und der Arbeitgeber im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben die Einstellung vornimmt. Eine Anfechtung führt – wenn sie berechtigt ist – zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht Bonn hatte sich in einem Urteil vom 20.05.2020 (Az.: 5 AZR 83/20) mit der Frage zu befassen, ob ein Ausbilder den Ausbildungsvertrag anfechten kann, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass der Auszubildende eine pauschal gestellte Frage nach Vorstrafen wahrheitswidrig verneint.

Späte Information an den Ausbilder

Der Entscheidung des Arbeitsgerichts lag ein Ausbildungsverhältnis zu Grunde, das am 01.08.2018 begann. Im Rahmen des Einstellungsverfahrens füllte der spätere Auszubildende einen Personalfragebogen aus, in welchem er bei den Angaben zu „Gerichtlichen Verurteilungen / schwebende Verfahren“ die Antwortmöglichkeit „Nein“ angekreuzt hatte. Dem Auszubildenden war zu diesem Zeitpunkt jedoch bekannt, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes anhängig war und mit einer Anklage zu rechnen war. Erst im Juli 2019 wandte sich der Auszubildende an seinen Vorgesetzten und teilte ihm mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse. Er begehrte eine Erklärung, dass er seine Ausbildung während seines Freigangs fortführen könne. Der Ausbilder fiel aus allen Wolken und erklärte die Anfechtung des Ausbildungsvertrages wegen arglistiger Täuschung unter Hinweis darauf, dass der Auszubildende im Zuge der Einstellung noch angegeben hatte, gegen ihn laufe kein Ermittlungsverfahren.

Azubi klagt

Gegen die Anfechtung zog der Auszubildende vor das Arbeitsgericht Bonn. Er wollte festgestellt wissen, dass der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis nicht anfechten durfte und dass die Ausbildung daher fortzusetzen ist. Der Ausbilder habe die Informationen im Zuge des Einstellungsverfahrens überhaupt nicht abfragen dürfen und konnte infolgedessen auch die An-fechtung des Ausbildungsverhältnisses nicht auf die falsche Beantwortung der Frage nach den Vorstrafen oder Ermittlungsverfahren stützen. Der Ausbilder verwies dagegen darauf, dass er ein berechtigtes Interesse an der Information zu Straftaten oder Ermittlungsverfahren habe.

Arbeitsgericht stimmt Azubis zu

Zum Leidwesen des Ausbilders gab das Arbeitsgericht dem Azubi Recht. Der Arbeitgeber ist zwar im Einstellungsverfahren berechtigt, bei dem Bewerber Informationen zu Vorstrafen einzuholen, wenn und soweit diese für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes relevant sein können. Unter gewissen Umständen darf sich der Arbeitgeber auch nach anhängigen Ermittlungsverfahren erkundigen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann. Ist hingegen die Frage nach gerichtlichen Verurteilungen und schwebenden Verfahren bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers zu weitgehend, ist diese Frage unzulässig und erlaubt dem Bewerber, die Frage nach Vorstrafen falsch zu beantworten. Das Problem hier war: Die vom Ausbilder im Rahmen des Personalfragebogens gestellte unspezifische Frage nach Ermittlungsverfahren jedweder Art ist zu weitgehend und damit unzulässig. Denn nicht jede denkbare Straftat – darunter würden auch Bagatelldelikte fallen – lassen Zweifel an der Eignung für eine Ausbildung in einem bestimmten Berufsfeld begründen.

Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn ist rechtlich nachvollziehbar und nicht einmal überraschend, trifft die Praxis aber dennoch an einem wunden Punkt. Denn Einstellungsfragebögen, die pauschal alle Arten von möglichen Vorstrafen und / oder Ermittlungsverfahren umfassen, sind weit verbreitet. Sie sind dennoch unzulässig und führen dazu, dass im Falle der nicht wahrheitsgemäßen Beantwortung keine Anfechtung des Arbeitsvertrags erfolgen kann. Arbeitgeber sind gut beraten, Straftaten und / oder Ermittlungsverfahren nur in Bezug auf die für den Pflegeberuf relevante Delikte abzufragen. Die Frage etwa nach spezifischen Vorstrafen wegen Straftaten gegen Leib oder Leben – beispielsweise Körperverletzung – oder die Frage nach spezifischen Vorstrafen wegen Straftaten gegen das Vermögen – beispielsweise Diebstahl oder Betrug – wäre zulässig.

Praxistipps

  • Eine zu pauschale Abfrage von Vorstrafen / Ermittlungsverfahren im Zuge der Einstellung ist unzulässig.
  • Unzulässige Fragen darf der Bewerber falsch beantworten.
  • Will der Arbeitgeber ausschließen, einen wegen relevanter Delikte vorbestraften Mitarbeiter einzustellen, sollte er die Fragen nach relevanten Vorstrafen konkretisieren.
  • Beantwortet der Bewerber eine zulässige Frage falsch und kommt es infolgedessen zur Einstellung, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis anfechten.

Autor: Peter Sausen, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber der Kanzlei Steinrücke . Sausen

psausen@steinruecke-sausen.de

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