News

Zwischen Leidenschaft und Limit

Stefanie Zang vom Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege wirft einen persönlichen Blick auf die Covid-19-Pandemie.

Arzt in Schutzkleidung bei Coronavirus Pandemie ist überlastet und lehnt sich an Wand vor Klinik in seiner Pause Arzt in Schutzkleidung bei Coronavirus Pandemie ist überlastet und lehnt sich an Wand vor Klinik in seiner Pause

Stefanie Zang, Pflegefachkraft und Fachreferentin Pflege des Bundesverbands Häusliche Kinderkrankenpflege, wirft einen persönlichen Blick auf die Covid-19-Pandemie.

Pflege ist ein anspruchsvolles und forderndes Geschehen – in allen Phasen menschlichen Lebens, von der Geburt bis zum Lebensende, spielt Pflege eine entscheidende Rolle. Pflege braucht hochkomplexes Fachwissen; Pflege braucht Erfahrung, Intuition, Empathie, Kommunikation, Verantwortung, Souveränität und nicht zuletzt Engagement.

Für die kranken und/oder pflegebedürftigen Menschen und ihren Familien geht es dabei (neben Gesundheit) vor allem um Sicherheit, Selbstbestimmung, Mobilität, Zuhause bleiben können, Lebensmut ….

Pflege ist ein Beziehungs- und Berührungsberuf – und JA, es geht auch um Körperpflege, Ausscheidungen, Scham, aber vor allem geht es um Zuwendung, Zuhören, Verstehen, Vertrauen und um die spürbare, (überlebens)notwendige Unterstützung, die körperlichen, psychischen und geistigen Ressourcen der Menschen wiederherzustellen bzw. zu erhalten.

DAS beschreibt grob die Leidenschaft für diesen Beruf und dafür müssen wir Pflegende weder beklatscht noch als Held:innen gefeiert werden – das ist selbstgewählter und erfüllender Berufsalltag. Doch diese Leidenschaft konnte schon VOR der Corona-Pandemie v.a. durch den Prozess des fortschreitenden Personalmangels immer weniger gelebt bzw. zufriedenstellend umgesetzt werden. Während Corona wurde dieser Zustand zur Normalität.

Pflege in der Krise

Jetzt, mitten in der vierten Welle des Pandemiegeschehens, blickt die Pflege auf ein berufliches und emotionales Trümmerfeld. Die viel diskutierten und noch häufiger versprochenen Verbesserungen der Rahmenbedingungen – allem voran mehr Kolleg:innen und eine adäquate Entlohnung, lassen weiterhin auf sich warten. Die im Jahr 2020 geführten unsäglichen und fast schon erniedrigenden politischen Diskussionen um unterschiedliche Bonuszahlungen lassen eine fassungslose und ernüchterte Berufsgruppe zurück. Themen wie die fehlende (oder auch fehlerhafte) Schutzausrüstung oder die politische und mediale Unwissenheit hinsichtlich der exakten Berufsbezeichnung stehen beispielhaft für politische Lippenbekenntnisse hinsichtlich der viel zitierten und doch eher strapazierten Wertschätzung für die Berufsgruppe der professionell Pflegenden.

Die Pflege ist am Limit – der Praxisalltag in vielen Settings (nicht nur auf den Intensivstationen) kaum mehr zu stemmen und wird zusätzlich erschwert durch Hygiene-, Masken- und Testpflicht. Und nicht zuletzt raubt die Flut an rechtlichen Vorgaben, die nicht selten unlogische, nicht umsetzbare und in sich widersprechende Aussagen treffen, auch den verantwortlichen Leitungspersonen die letzte Kraft.

Die Stimmung der Pflegenden ist am Boden – geprägt von Erschöpfung, Resignation, Ärger und Wut; dieses Limit bedeutet für viele auch ein Ende der Leidenschaft und mündet immer mehr in einen verstärkten Ausstieg aus dem Pflegeberuf. Der seit Jahren von Politik und Gesellschaft ignorierte Personalnotstand führt über den „Umweg“ Corona zielstrebig zu einer handfesten PflegeKRISE.

Selbstkritik darf nicht fehlen

Doch bei aller Kritik an den politisch Verantwortlichen darf die Selbstkritik nicht fehlen. Das berufliche Selbstverständnis der Pflege ist geprägt von den christlichen Wurzeln der Selbstlosigkeit, Aufopferung und Demut, den Zuschreibungen der Pflege als „Beruf(ung) der Frauen“ und dem Bild der Pflege als „Assistentin des Arztes“. Autonomie, Berufsstolz, Empörung und Widerstand sind der Berufsgruppe eher fremd und spiegeln sich auch im gering ausgebildeten politischen Organisationsgrad.

Doch wenn die Pflege nicht endlich aufsteht, ein deutliches Zeichen setzt, ihre „Jammerkultur“ verlässt und selbstbewusst und laut für sich und ihre Belange eintritt, wird sich auch in Zukunft NICHTS ändern. In diesem Sinne – bleiben wir leidenschaftlich.

Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke